EuGH soll über Gutglaubensschutz im Verfahren der Steuerfestsetzung entscheiden

Eine Händlerin hatte sich auf die Angaben in den Rechnungen ihrer Vorlieferanten verlassen und ihre Umsatzsteuer entsprechend erklärt. Als die Angaben sich als falsch herausstellen, beruft sie sich auf ihren guten Glauben. Das wird ihr im Steuerfestsetzungsverfahren versagt – zu Recht?

Der BFH hat Zweifel daran und legt die Frage dem EuGH vor (Beschluss vom 19.02.2025 – XI R 23/24).

Die Frau, die mit Uhren handelt, wandte auf einen Teil ihrer Umsätze die sogenannte Differenzbesteuerung nach § 25a UStG an. Dabei wird nicht der gesamte Verkaufspreis der Uhr, sondern lediglich die Differenz zwischen dem Verkaufs- und dem Einkaufspreis der Umsatzsteuer unterworfen. Möglich ist das etwa, wenn der Vorlieferant, der die Uhr verkauft hat, ebenfalls ein Wiederverkäufer ist. In den Fällen, in denen die Vorlieferanten der Händlerin das in ihren Rechnungen angegeben hatten, wandte diese die Differenzbesteuerung an.

Doch die Angaben der Vorlieferanten trafen teilweise nicht zu. Auf einen Hinweis des Finanzamtes berief sich die Händlerin auf ihre Gutgläubigkeit: Sie habe berechtigterweise auf die Angaben ihrer Lieferanten vertrauen dürfen. Das FInanzamt setzte die Umsatzsteuer dennoch höher fest. Das FG bestätigte das. Es prüfte erst gar nicht, ob die Verkäuferin tatsächlich gutgläubig war. Schließlich könne sie sich im Klageverfahren gegen den Umsatzsteuerbescheid (dem sogenannten Festsetzungsverfahren) nicht auf ihren angeblichen guten Glauben berufen. Hierzu müsse ein gesondertes Billigkeitsverfahren (zum Beispiel ein Antrag auf Erlass der Umsatzsteuer) durchgeführt werden.

Verweis auf weiteres Verfahren zumutbar?

Diese Praxis hält der XI. Senat des BFH für unionsrechtlich zweifelhaft. Er fragt beim EuGH an, ob es der Bundesrepublik Deutschland erlaubt ist, den Steuerpflichtigen zum Schutz seines guten Glaubens auf ein weiteres Verfahren (Billigkeitsverfahren) zu verweisen. Der BFH hält es für möglich, dass dem Steuerpflichtigen kein weiteres Verfahren zugemutet werden darf, weil ihm ein solches "hinsichtlich seiner Länge, Komplexität und der damit verbundenen Kosten unverhältnismäßige Schwierigkeiten" bereitet. Besonders kritisch sei, dass sich die Gesamtverfahrensdauer erheblich verlängere und sich das Kostenrisiko verdopple, wenn ein Steuerpflichtiger zunächst ein Klageverfahren gegen die Steuerfestsetzung und sodann ein Klageverfahren gegen eine ablehnende Billigkeitsentscheidung anstrengen muss.

Eine ähnliche Frage hat der BFH dem EuGH bereits zwei Mal in anderen Konstellationen (beim Vorsteuerabzug und beim Direktanspruch) gestellt – jeweils ohne eine Anwort zu erhalten, da es aus anderen Gründen nicht mehr darauf ankam. Abzuwarten bleibt, ob es dieses Mal anders kommt. Bedeutsam wäre die Antwort nach Einschätzung des BFH für das gesamte Umsatzsteuerrecht (und nicht nur für die Differenzbesteuerung).

BFH, Beschluss vom 19.02.2025 - XI R 23/24

Redaktion beck-aktuell, bw, 31. Juli 2025.

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