Belarus: Tichanowskaja in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt

Die Justiz in der Ex-Sowjetrepublik Belarus hat die ins Ausland geflüchtete Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja in Abwesenheit wegen des Versuchs der Machtergreifung zu 15 Jahren Haft verurteilt. Das Minsker Stadtgericht verhängte gestern in dem umstrittenen Verfahren die Strafe auch wegen Landesverrats, ohne Beweise vorzulegen.

Lukaschenko von USA und Europa nicht anerkannt

Tichanowskaja galt im August 2020 aus Sicht vieler Menschen im Land als Siegerin der Präsidentenwahl. Das Gericht in der Hauptstadt Minsk verurteilte zudem den in Polen lebenden oppositionellen Ex-Kulturminister Pawel Latuschko - auch wegen angeblichen Amtsmissbrauchs und Bestechlichkeit - zu 18 Jahren Haft. Weitere prominente Gegner von Machthaber Alexander Lukaschenko wurden ebenfalls wegen des Versuchs der illegalen Machtergreifung in Abwesenheit verurteilt: Olga Kowalkowa, Sergej Dylewski und Maria Moros erhielten je zwölf Jahre Haft. Folgen hat das für die im Ausland lebenden Oppositionellen, die nach der Präsidentenwahl im August 2020 einen Koordinierungsrat für einen Machtwechsel in Belarus gebildet hatten, nicht. Der als letzter Diktator Europas geltende Lukaschenko hatte sich damals erneut zum Sieger erklären lassen und Proteste gegen seinen Verbleib an der Macht brutal niederschlagen lassen. Die EU und die USA erkennen ihn nicht als Präsidenten an.

Kampf der demokratischen Kräfte geht weiter

Tichanowskaja kündigte nach dem Urteil an, dass die demokratischen Kräfte aus Belarus, die im Exil arbeiten und dort auch eine Führung gebildet haben, sich weiter für Veränderungen im Land und für die Freilassung politischer Gefangener einsetzen werden. Es seien viele zu 5, 16 oder 22 Jahren Haft verurteilt worden, sagte die Politikerin, deren Mann Sergej Tichanowski ebenfalls politischer Gefangener ist. Funktionäre, Richter und Staatsanwälte, die diese Justizverbrechen begingen, sollten eines Tages selbst vor ein unabhängiges Gericht gestellt und zur Verantwortung gezogen werden, sagte Tichanowskaja. Menschenrechtler sprechen von inszenierten Verfahren gegen die Andersdenkenden mit dem Ziel, Lukaschenkos Gegner dauerhaft auszuschalten.

Redaktion beck-aktuell, Gitta Kharraz, 7. März 2023 (dpa).