Angeklagter will nicht auf Anklagebank: Anwesend, und doch nicht da?

Das LG Ansbach war wohl überfordert, als der Angeklagte zwar erschien, aber nur vor sich hin monologisierte und der Anweisung, auf der Anklagebank Platz zu nehmen, keine Folge leistete. Ihn aber dann schlichtweg für "rechtlich nicht erschienen" zu erklären, ist keine Lösung, erklärte das BayObLG.

In seiner Berufungshauptverhandlung gegen eine Verurteilung wegen Nachstellung, Beleidigung und Gewalt gegen Vollstreckungsbeamte erschien der psychisch wohl beeinträchtigte Angeklagte zwar, gab aber nur stereotype Monologe von sich. Er übergab dem Gericht diverse Unterlagen, weigerte sich aber, auf der Anklagebank Platz zu nehmen. Vielmehr lief er im Sitzungssaal umher und ließ sich schließlich im Zuschauerraum nieder.

Das Gericht verwarf seine Berufung, weil er – rechtlich gesehen – nicht erschienen sei. Seine Revision zum BayObLG (Beschluss vom 23.06.2025 – 203 StRR 234/25) war erfolgreich.

Die körperliche Anwesenheit ist maßgeblich

Das BayObLG erklärt: Ein Angeklagter ist nach § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO erschienen, wenn er physisch im Sitzungssaal anwesend ist und sich dem Gericht gegenüber zu erkennen gegeben hat. Darin sieht sich das Gericht auch durch den Willen des Gesetzgebers in BT Drucks. 18/3562 S. 69 (Neufassung des § 329 StPO) bestätigt.  Ob er sich statt auf der Anklagebank im Zuschauerraum niederlasse oder querulatorisch jegliche Mitwirkung an der Verhandlung verweigere, spiele keine Rolle.

Die Verfahrensrüge wegen Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO sei begründet, weil das Verwerfungsurteil nicht hätte ergehen dürfen. Das Rechtsmittel der Berufung dürfe laut dem BayObLG nur dann verworfen werden, wenn weder der Angeklagte noch sein Verteidiger (mit ausreichender Vertretungsvollmacht ausgestattet) zur Hauptverhandlung erscheine und das Ausbleiben nicht entschuldigt sei. Der Zweck der Norm liege darin, dass die Sachentscheidung nicht verzögert oder gar vereitelt werden solle. Da ein Strafverfahren nach § 230 StPO grundsätzlich nicht ohne den Angeklagten stattfinden dürfe, sei die Ausnahme davon eng auszulegen.

Das Verhalten, das der Mann an den Tag gelegt hatte, habe eher Anlass dafür gegeben, seine Verhandlungsfähigkeit anzuzweifeln oder Ordnungsmaßnahmen nach § 177 GVG zu verhängen. Aber auch eine Entfernung aus dem Sitzungssaal wegen ungebührlichem Verhalten würde eine Verwerfung des Rechtsmittels nicht rechtfertigen, betonte das BayObLG. Das LG Ansbach muss nun erneut eine Berufungsverhandlung durchführen.

BayObLG, Beschluss vom 23.06.2025 - 203 StRR 234/25

Redaktion beck-aktuell, rw, 7. August 2025.

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