AG Hamburg-Harburg: Bewährungsstrafen nach Tod eines Jungen durch Stromschlag in Supermarkt

Am 31.05.2016 berührte in einem Hamburger Supermarkt der vierjährige Jonathan an der Kasse ein Metallgeländer und bekam einen Stromschlag – an den Folgen starb er einen Tag später. Wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen hat das Amtsgericht Hamburg-Harburg die beiden Marktbetreiber am 24.01.2019 zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt (Az.: 619 Ds 203/17).

LED-Trafo schlampig verlegt

Der 44-Jährige und seine 48 Jahre alte Schwester hätten ihre Überwachungs- und Kontrollpflichten verletzt, sagte die Richterin. Eine Fachfirma, die nicht mehr ermittelt werden konnte, habe einen LED-Trafo schlampig verlegt. Laut Gericht beträgt die Bewährungszeit drei Jahre. In dieser Zeit muss die Angeklagte 600 Euro monatlich an die Staatskasse zahlen, ihr Bruder 500 Euro. Beide sind nicht vorbestraft. Die Staatsanwaltschaft hatte für die Angeklagten eine Strafe von einem Jahr Haft auf Bewährung gefordert. Die Verteidigung wollte einen Freispruch erreichen.

Desolater Zustand über lange Zeit offensichtlich

"Es hätte sich den Angeklagten auch als technische Laien aufdrängen müssen, dass es Mängel an der gesamten Anlage gab", erklärte die Richterin. Zumal der desolate Zustand der Elektro-Installation in dem Markt über lange Zeit offensichtlich gewesen sei. Unternehmen, die man auswähle, müsse man sorgfältig überwachen.

Parteien machen sich gegenseitig Vorwürfe

Während der Begründung des Urteils, das noch nicht rechtskräftig ist, lässt sich an den Gesichtern der Angeklagten keine Regung ablesen. Die Gelegenheit, kurz vor dem Urteil das letzte Wort zu ergreifen, haben sie verstreichen lassen. Wirkliche Reue habe man bei den Marktbetreibern nicht gesehen, ihr Bedauern hätten sie im Prozess lediglich über ihre Verteidiger geäußert, beklagt der Nebenklage-Vertreter. Am letzten Prozesstag ist der Zuschauersaal voll. Draußen vor dem Gerichtsgebäude hängen Fotos des Jungen, Kerzen brennen. Auf Schildern steht "Hamburg trauert um Jonathan" oder "Ruhe in Frieden, kleiner Engel". In dem Verfahren hatten sich beide Parteien bittere Vorwürfe gemacht, dabei auch von gegenseitigen Bedrohungen über soziale Medien gesprochen. Die Verteidiger erklärten während des Prozesses, man habe bei der Nebenklage vergeblich auf eine "Handreichung" gehofft. Versuche, Mitgefühl ausdrücken, seien gescheitert.

Vater musste als Zeuge aussagen

Den Angeklagten gegenüber sitzt mit versteinerter Miene Jonathans Vater. Die Mutter ist seit Wochen nicht mehr im Gerichtssaal gewesen. Nach Worten ihres Anwalts ist das zu belastend für die Frau, die schwere Depressionen habe. "Kein Urteil, keine Strafe kann den Schmerz lindern", sagt die Richterin. Am Tag des Unglücks hatte der Vater nach der Arbeit zwei seiner Kinder zum Einkaufen in den Supermarkt im Stadtteil Harburg mitgenommen. Als er im Prozess den Unfall schilderte und dabei sogar die letzten Atemversuche seines Sohnes imitierte, hatten mehrere Angehörige unter den Zuhörern aufgeschluchzt. Es sei bewundernswert, wie sachlich und ruhig es dem Vater als Zeuge gelungen sei, das Geschehen zu schildern, betont die Richterin.

Redaktion beck-aktuell, Stephanie Lettgen, 25. Januar 2019 (dpa).