LG Krefeld: Zwang zur Benutzung des beA bei defektem Faxgerät?

ZPO §§ 85, 130a, 233, 517, 522

Ein Rechtsanwalt ist verpflichtet, bei Unerreichbarkeit des gerichtlichen Faxgeräts zur Fristwahrung das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) zu nutzen. (Leitsatz des Verfassers)

LG Krefeld, Beschluss vom 10.09.2019 - 2 S 14/19, BeckRS 2019, 26304

Anmerkung von 
Richter am Kammergericht Dr. Oliver Elzer, Berlin

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 23/2019 vom 29.11.2019

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Sachverhalt 

Das AG-Urteil wird B am 13.3 zugestellt. Die Berufungsschrift geht am 17.4 beim LG ein. Mit am selben Tag eingegangenem Schriftsatz beantragt Rechtsanwalt R für B Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er habe am Abend des 15.4 (Montag; der 13.4 war ein Sonnabend) versucht, die Berufungsschrift zu faxen. Das Faxgerät des Gerichts sei jedoch nicht empfangsbereit gewesen. Andere Übertragungsmöglichkeiten hätten nicht zur Verfügung gestanden. Er halte zwar das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) bereit, habe jedoch die qualifizierte Signatur noch nicht erhalten. Deswegen sei eine Übertragung nicht möglich gewesen.

Entscheidung: K hat die Berufungseinlegungsfrist verpasst

B sei nicht ohne Verschulden verhindert gewesen, die Berufungseinlegungsfrist einzuhalten. Dabei komme es auf die Frage, ob das Faxgerät des Gerichts am Abend des 15.4 empfangsbereit gewesen sei, nicht an. R sei nämlich verpflichtet gewesen, in diesem Fall die Berufungsschrift über das beA zu übermitteln. Dass R zu keiner qualifizierten Signatur in der Lage gewesen sei, sei belanglos. Gem. § 130a I, III, IV Nr. 2 ZPO könnten elektronische Dokumente auch ohne qualifizierte elektronische Signatur bei Gericht eingereicht werden.

Praxishinweis

Gelingt es einem Prozessbevollmächtigten in Folge einer technischen Störung des Empfangsgeräts des Gerichts nicht, einen fristwahrenden Schriftsatz zu faxen, so ist es ihm grds. nur zumutbar, im „gewählten Übermittlungsweg“ (BVerfG NJW 2000, 1636; BVerfG NJW 1996, 2857) nach Alternativen zu suchen, die sich „aufdrängen“ (BGH NJW-RR 2017, 1084 Rn. 14 = FD-ZVR 2017, 394222 mAnm Toussaint). Streikt das gerichtliche Faxgerät, muss der Rechtsanwalt einen Schriftsatz also weder selbst noch durch Boten oder per Post übermitteln (Elzer IBR 2019, 646). Was aber gilt insoweit für das beA?

Dieses stellt zwar einen anderen Übermittlungsweg dar. Dieser Weg ist dem Rechtsanwalt in seinem Büro aber jedenfalls unmittelbar verfügbar (wenn der PC nicht defekt ist oder das beA nicht einsetzbar). Das LG meint insoweit, ohne sich um die Problematik „Übermittlungsweg“ weiter zu scheren, der Rechtsanwalt müsse den Übermittlungsweg „Fax“ verlassen und das „beA“ einsetzen. Ebenso entschied, ohne Entscheidungserheblichkeit, zuvor OLG Dresden NJW 2019, 3312 Rn. 8

Diesem Denken ist etwa Huff entgegengetreten (https://www.lto.de/recht/juristen/b/lg-krefeld-olg-dresden-gerichte-bea-aktive-nutzungspflicht-faxgeraet-kaputt). Er weist im Kern darauf hin, dass es noch keine Pflicht für Rechtsanwälte gebe, das beA einzusetzen. Ferner macht er geltend, der, der sich für einen bestimmten Übermittlungsweg entschieden habe, dürfe an diesem festhalten und müsse nicht im Fall des Scheiterns der Übermittlung auf einen anderen Weg ausweichen (Hinweis insoweit auf BGH NJW 2015, 1027 Rn. 19). Diese Argumentation könnte verfangen – ist aber nicht zwingend. Sogar näher liege ggf., dem Rechtsanwalt den Übermittlungsweg „beA“ doch zuzumuten. Jedenfalls sollte zum jetzigen Zeitpunkt kein Rechtsanwalt auf das Überkommene vertrauen und aus Gründen der Sicherheit lieber den „strenger“ denkenden Gerichten folgen (vgl. auch Eimler IBR 2019, 647 und Elzer IBR 2019, 646).

Redaktion beck-aktuell, 3. Dezember 2019.