BGH: Hinreichende Erfolgsaussicht für ein Mahnverfahren

ZPO §§ 114 I 1, II, 688

Die hinreichende Erfolgsaussicht für ein Mahnverfahren kann nicht allein deshalb verneint werden, weil ein Widerspruch des Antragsgegners zu erwarten ist. (Leitsatz des Gerichts)

BGH, Beschluss vom 21.08.2019 - VII ZB 48/16, BeckRS 2019, 21274

Anmerkung von 
Richter am Kammergericht Dr. Oliver Elzer, Berlin

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 19/2019 vom 02.10.2019

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Sachverhalt

Insolvenzverwalter I beantragt beim Mahngericht die Gewährung von PKH für den Erlass eines Mahnbescheids gegen B wegen einer Forderung aus iHv 4.429,80 EUR nebst Zinsen. Das AG hört B an. Der kündigt an, gegen einen etwaigen Mahnbescheid Widerspruch einlegen zu wollen. Daraufhin weist das AG den PKH-Antrag mangels Erfolgsaussicht zurück. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde bleibt erfolglos. Wenn der Antragsgegner ankündige, Widerspruch zu erheben, könne keine Erfolgsaussicht für das Mahnverfahren angenommen werden. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt I weiterhin, ihm für die Durchführung des Mahnverfahrens PKH zu bewilligen. Mit Erfolg!

Entscheidung: Ein zu erwartender Widerspruch steht der Gewährung von PKH nicht entgegen

Die Durchführung eines Mahnverfahrens müsse nicht auf das Ziel beschränkt sein, einen Vollstreckungsbescheid zu erlangen. Denn das Mahnverfahren biete dem Gläubiger weitere Vorteile, die unabhängig von der Möglichkeit seien, einen Vollstreckungsbescheid zu erlangen, und die in der Praxis nicht unerhebliche Bedeutung hätten. Die Praxis zeige daher, dass Mahnverfahren von nicht bedürftigen Parteien häufig auch dann genutzt werden würden, wenn ein Widerspruch absehbar sei (Hinweis auf Dörr MDR 2017, 1408 und Hansens RVGReport 2017, 472).

Die von I beabsichtigte Rechtsverfolgung erscheine auch nicht als mutwillig iSd §§ 114 I 1, II, 116 S. 2 ZPO. Insbes. könne I nicht entgegengehalten werden, im Falle des zu erwartenden Widerspruchs und der Überleitung in ein Klageverfahren entstünden Mehrkosten, die etwa ein nicht bedürftiger Gläubiger nicht aufbringen würde. Denn die anfallenden Kosten unterschieden sich im Endergebnis allenfalls unwesentlich von denjenigen, die anfielen, wenn unmittelbar Klage erhoben werde. Andere BGH-Senate hätten zwar in mehreren Fällen, in denen der Antragsgegner angekündigt hatte, er werde gegen einen eventuellen Mahnbescheid unverzüglich Widerspruch einlegen, angenommen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung mutwillig erscheine. Diese Entscheidungen stünden aber, wie die jeweiligen Senate mitgeteilt hätten, wegen der dort vorgenommenen Gesamtabwägung dem Ergebnis in diesem Verfahren nicht entgegen.

Praxishinweis

Der sachliche Geltungsbereich der §§ 114 ff. ZPO erstreckt sich auf alle in der ZPO geregelten Verfahren. Für das Mahnverfahren kann daher – beschränkt auf dieses Verfahren – Prozesskostenhilfe bewilligt werden (BGH NJW-RR 2017, 1470 Rn. 6 = FD-ZVR 2017, 394558 (Ls.), BGH NJW-RR 2017, 1469 Rn. 7 = FD-ZVR 2017, 395168 mAnm Elzer). Dabei gilt die Voraussetzung fehlender Mutwilligkeit auch für den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Mahnverfahren. Warum diese im Fall nicht fehlen soll und warum die Mehrkosten unbeachtlich sind, bleibt letztlich eher dunkel. Zwar hemmt das PKH-Verfahren die Verjährung. Das täte ein Klageverfahren, für das I auch PKH beantragen könnte, aber auch. Es wird auch nicht wirklich klar, was bei den vom III. und X. Senat zu entscheidenden Fällen anders war. Besser wäre es in einem solchen Fall, den großen Senat anzurufen.

Redaktion beck-aktuell, 2. Oktober 2019.