Anmerkung von
Richter am Kammergericht Dr. Oliver Elzer, Berlin
Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 06/2019 vom 22.03.2019
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Sachverhalt
Vermieter K fordert Mieter B erfolglos auf, einer Erhöhung der Nettokaltmiete um 25,06 EUR auf 540 EUR zuzustimmen (dies entspricht einer Erhöhung von 6,25 EUR je m2 auf 6,55 EUR je m2). Das AG weist die Klage ab. Auf die Berufung verurteilt das LG den B unter Bezugnahme auf den Dresdner Mietspiegel 2015 zur Zustimmung zu einer Mieterhöhung auf 6,39 EUR je m2, mithin auf monatlich 526,47 EUR. Dagegen richtet sich die Revision des K. Fraglich ist, ob das LG als Überzeugungsmittel den Dresdner Mietspiegel 2015 – ein einfacher Mietspiegel iSv § 558c BGB – einsetzen durfte. Der BGH bejaht diese Frage.
Entscheidung: Gerichte dürfen einen einfachen Mietspiegel zur Überzeugungsbildung einsetzen
Das LG habe im Rahmen seiner freien Überzeugungsbildung (§ 286 ZPO) dem Dresdner Mietspiegel 2015 eine ausreichende Indizwirkung zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete beimessen dürfen. Die Beteiligung der örtlichen Interessenvertreter von Mieter- und Vermieterseite in einer Projektgruppe sowie die Anerkennung der gefundenen Ergebnisse spreche nach der Lebenserfahrung dafür, dass der Mietspiegel die örtliche Mietsituation nicht einseitig, sondern objektiv zutreffend abbilde.
Gründe, an der notwendigen Qualität des (einfachen) Mietspiegels zu zweifeln, seien weder vorgebracht noch ersichtlich. Die seitens des K gegen die Wissenschaftlichkeit und die Anzahl der Wohnlagen vorgebrachten Einwände könnten allenfalls der Einordnung des Mietspiegels als qualifizierten in Frage stellen, nicht jedoch die Indizwirkung beeinflussen.
Praxishinweis
Die Ortsüblichkeit der verlangten Miete – ist sie streitig – ist als streitige Tatsache nach §§ 355 ff. ZPO zu beweisen. Als Beweismittel kommt von Gesetzes wegen eigentlich nur ein Sachverständigengutachten in Frage. Von dessen Einholung kann nach hM indes abgesehen werden, wenn das Gericht über Ortskenntnis verfügt und ein einfacher Mietspiegel vorliegt. Denn die Rechtsprechung lässt – wie der Fall erneut zeigt – einfache Mietspiegel als Hilfstatsache (Indiz) für die behauptete Höhe zu, soweit diese die Tatbestandsmerkmale des § 558c I BGB erfüllen.
Die Einzelvergleichsmiete ist in einem solchen Fall anhand des Mietspiegels im Rahmen freier tatrichterlicher Schätzung (§ 287 II, I 2 ZPO) zu ermitteln. Der Tatrichter muss bei der Ausübung seines Ermessens alle wesentlichen Gesichtspunkte, die Erfahrungssätze und Denkgesetze beachten. Zur Ermöglichung der Überprüfung sind die tatsächlichen Grundlagen der Schätzung und ihrer Auswertung darzulegen (BGH NJW 2017, 2679 Rn. 29 mAnm Elzer FD-ZVR 2017, 388605). Die Ausübung dieses tatrichterlichen Schätzermessens aus § 287 II ZPO kann dann lediglich daraufhin überprüft werden, ob die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete auf grds. falschen oder offenbar unrichtigen Erwägungen beruht und ob wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen außer Acht gelassen worden sind.