OLG Hamm: Fachwerkstatt für bestimmte Kfz-Marke muss auch bei «kleiner Inspektion» Vorliegen einer Rückrufaktion des Herstellers überprüfen

BGB §§ 280 I, 288 I 2, 291, 631, 633 II Nr. 2, 634 Nr. 4

Bezeichnet sich eine Werkstatt als Fachwerkstatt für Fahrzeuge einer bestimmten Marke, so trifft sie, auch wenn sie nur mit Wartungsarbeiten im Umfang einer «kleinen Inspektion» beauftragt wurde, nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm die Pflicht, sich zu informieren, ob das Fahrzeug von einer Rückrufaktion wegen sicherheitsrelevanter Mängel betroffen ist.

OLG Hamm, Urteil vom 08.02.2017 - 12 U 101/16 (LG Bochum), BeckRS 2017, 104109

Anmerkung von
Rechtsanwalt Ottheinz Kääb, LL.M., Fachanwalt für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht,
Rechtsanwälte Kääb Bürner Kiener & Kollegen, München

Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 6/2017 vom 30.03.2017

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Sachverhalt

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Fahrzeug der Marke «E», welches in den USA hergestellt und lediglich im Importweg in die Bundesrepublik eingeführt wird. Im streitbefangenen Zeitraum hatte die Automarke «E» kein autorisiertes Händlernetz und keine Niederlassung in Deutschland.

Die Beklagte betreibt eine Fachwerkstatt für Kraftfahrzeuge und wirbt für sich als autorisierte Fachwerkstatt auch für Fahrzeuge der Marke «E». Bei ihr ließ die Klägerin Reparatur- und Wartungsarbeiten an dem Wagen durchführen. In der Zwischenzeit hatte das amerikanische Werk eine Rückrufaktion wegen der drohenden Gefahr einer Blockade an der Hinterachse gestartet. Dieser «Safety Recall» betraf auch die Baureihe des klägerischen Fahrzeugs.

Bei den Wartungsarbeiten der Beklagten am Fahrzeug der Klägerin beachtete die Beklagte die Anweisungen des Herstellers gemäß dem «Safety Recall» nicht. Es trat der Schaden ein, der durch die Rückrufaktion verhindert hätte werden können. Während der Fahrt blockierte die Hinterachse und es kam zu erheblichen Schäden.

Die Beklagte ist der Meinung, es sei zu viel von ihr verlangt, sich um Rückrufaktionen zu kümmern. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte dazu, wenn sie schon als Fachwerkstatt auftrete, verpflichtet sei.

Das Landgericht ist den klägerischen Ansprüchen auf Schadenersatz nachgekommen.

Rechtliche Wertung

Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Das OLG hat die Ansicht des LG bestätigt, allerdings die Revision gegen sein Urteil zugelassen. Im Rahmen der Vertragsbeziehungen habe der Beklagten eine Vertragspflicht in Form einer Überprüfung oblegen. Die Beklagte hätte auf eigene Veranlassung überprüfen müssen, ob irgendwelche Fehlerbeseitigungen aufgrund einer Rückrufaktion des Werks erforderlich gewesen seien. Der Umstand, dass es sich um ein Importfahrzeug gehandelt habe, stehe einer Überprüfungspflicht nicht entgegen. Es könne auch dahinstehen, ob es sich um eine kleine oder große Wartung gehandelt habe.

Praxishinweis

Die Entscheidung setzt sich mit werkvertraglichen Pflichten und Nebenpflichten eingehend auseinander. Für die Praxis des Verkehrsrechtlers ist das Urteil – sowie auch die mögliche zukünftige Entscheidung des Bundesgerichtshofes – von Bedeutung.

Redaktion beck-aktuell, 4. April 2017.