OLG Frankfurt a. M.: Nur bei Auftragserteilung fällige Unterhaltsansprüche für Gegenstandswert außergerichtlicher Vertretung zu berücksichtigen

RVG § 23 I 3; FamGKG § 51

Im Rahmen der nach § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG erfolgenden entsprechenden Anwendung von § 51 FamGKG auf die Bestimmung des Gegenstandswerts für die von dem ein Unterhaltsmandat wahrnehmenden Rechtsanwalt verdiente Geschäftsgebühr ist bei Ermittlung der zum Zwölfmonatsbetrag nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG hinzu zu addierenden fälligen Beträge im Sinne von § 51 Abs. 2 Satz 1 FamGKG auf den Zeitpunkt der Auftragserteilung durch den Mandanten und nicht auf den der Beendigung des Auftrags abzustellen (a. A. im Hinblick auf die Anwendung von § 17 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 GKG a. F.: OLG Nürnberg, AGS 2002, 232). (Auszug aus den Leitsätzen des Gerichts)

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 07.02.2020 - 27 U 1/16, nicht rechtskräftig (LG Darmstadt), BeckRS 2020, 1728

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 05/2020 vom 05.03.2020

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Sachverhalt

Die Klägerin und Berufungsklägerin, eine Anwaltskanzlei, hatte den Beklagten und Berufungsbeklagten unter anderem in einer außergerichtlichen Angelegenheit vertreten, in der es um die Abwehr von Ansprüchen auf Trennungsunterhalt und Kindesunterhalt ging. Das Unterhaltsmandat war am 30.01.2013 erteilt worden. Nachdem seit Januar 2013 zwischen den getrennt lebenden Eheleuten unter Einschaltung ihrer Rechtsanwälte über die von der Ehefrau geltend gemachte Pflicht zur Auskunftserteilung und zur Zahlung von Unterhalt dem Grunde nach korrespondiert worden war, machte die Ehefrau des Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 12.03.2013 Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 5.440 EUR zuzüglich 700 EUR Kindesunterhalt, mithin monatlich insgesamt 6.140 EUR, rückwirkend ab Januar 2013 geltend. Für den Zeitraum, für den Unterhalt verlangt wurde, erbrachte der Beklagte auf Anraten der Klägerin unstreitig freiwillige Zahlungen von 1.600 EUR monatlich.

Der Beklagte bat die Klägerin um eine Aufstellung der sich aus den verschiedenen geführten Mandaten ergebenden Gebühren. Rechtsanwalt X, der das Mandat bearbeitete, teilte ihm daraufhin mit Email vom 18.11.2013 die aus seiner Sicht offenen Rechnungsbeträge für alle Mandate mit. In der Aufstellung enthalten war ein Teilbetrag von 2.028,36 EUR betreffend den Posten «Unterhalt außergerichtlich». Am darauffolgenden Tag kündigte der Beklagte das Mandat. Die Klägerin erstellte daraufhin eine Gesamtabrechnung ihrer Gebührenansprüche, aus der sich noch auszugleichende Gebühren von 10.177,38 EUR für die Angelegenheiten Unterhalt, Zugewinn- und Vermögensauseinandersetzung, Umgang und das gerichtliche Unterhaltseilverfahren ergaben, darunter auch ein nunmehr angenommener offener Betrag von 1.767,74 EUR für die außergerichtliche Vertretung in der Hauptsache Trennungsunterhalt und Kindesunterhalt.

Die Geschäftsgebühr für die Rechtsverteidigung gegen die Ehegatten- und Kindesunterhaltsansprüche berechnete die Klägerin ausgehend von einem Gegenstandswert von 141.220 EUR. Der Gegenstandswert errechnete sich nach Auffassung der Klägerin aus dem 12-fachen Monatsbetrag (12 * 6.140  = 73.680 EUR) zuzüglich der nicht der bei Mandatierung im Januar 2013, sondern der bei Beendigung des Mandats im November 2013 (11 * 6.140 = 67.540 EUR) aufgelaufenen Rückstände. Die Klägerin beantragte erstinstanzlich nach Teilrücknahme den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 9.350,07 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Der Beklagte beantragte Klageabweisung. Das Landgericht verurteilte den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung eines Betrages von 1.403,21 EUR für das güterrechtliche Mandat. Die Berufung der Klägerin hatte nur in geringem Umfang Erfolg.

Entscheidung: Kostenrechtliche Privilegierung der Rechtsuchenden in Unterhaltssachen

Die Klägerin könne vom Beklagten noch aus §§ 675, 611, 612 BGB in Verbindung mit den Vorschriften des RVG weitere 137,44 EUR für die außergerichtliche anwaltliche Tätigkeit in Bezug auf das vom Beklagten erteilte Unterhaltsmandat beanspruchen. Als Gegenstandswert für die Geschäftsgebühr sei ein Betrag von 78.220 EUR in die Berechnung einzustellen. Rechtsgrundlage für die Bemessung des Gegenstandswerts sei § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG in Verbindung mit § 51 FamGKG. Während die Zugrundelegung von § 51 FamGKG für die Bemessung des Gegenstandswerts der außergerichtlichen Tätigkeit eines mit einem Unterhaltsmandat betrauten Rechtsanwalts unstreitig sei, gingen die Ansichten darüber auseinander, auf welchen konkreten Zeitpunkt sich die Berücksichtigung der fälligen Unterhaltsbeträge nach § 51 Abs. 2 Satz 1 FamGKG zu beziehen habe.

Nach einer Auffassung solle für die Berechnung der fälligen Unterhaltsbeträge der Zeitpunkt der Beendigung des anwaltlichen Auftrags maßgebend sein. Diese Rechtsauffassung hätte zur Folge, dass zum Zwölfmonatsbetrag nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG die zwischen Januar 2013 und der Mandatskündigung am 19.11.2013 fällig gewordenen Unterhaltsraten in Höhe von monatlich 6.140 EUR hinzu zu addieren wären. Eine Gegenauffassung stelle hingegen auf den Zeitpunkt der Auftragserteilung oder auf die erstmalige Geltendmachung der Unterhaltsansprüche im Verhältnis zur Gegenpartei ab. Zu folgen sei der Ansicht, wonach die entsprechende Anwendung von § 51 Abs. 2 Satz 1 FamGKG zur Hinzurechnung nur der bei Auftragserteilung fällig gewordenen rückständigen Unterhaltsbeträge führe.

Diese Auffassung verhelfe dem § 51 Abs. 2 Satz 1 FamGKG zugrunde liegenden Gesetzeszweck zur Geltung, wahre den Rahmen einer entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG und vermeide Wertungswidersprüche im Gefüge des anwaltlichen Gebührenrechts. Die kostenrechtlichen Bestimmungen für die Bewertung von Unterhaltsansprüchen verfolgten den Zweck, die Beteiligten in Rechtsstreitigkeiten, deren Gegenstand in der Regel die Lebensgrundlage zumindest eines der Beteiligten betreffe und die nicht selten in belasteten Lebenssituationen geführt würden, kostenrechtlich zu privilegieren. Der in § 51 FamGKG zum Ausdruck kommende Gesetzeszweck, «den Kostenstreitwert von Unterhaltsklagen ungeachtet der etwaigen Dauer der Zahlungspflicht aus sozialen Erwägungen in einem festen, überschaubaren Rahmen zu halten» könne bei entsprechender Anwendung dieser Vorschrift auf die Ermittlung des Gegenstandswerts für die außergerichtliche Geschäftsgebühr über § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG nicht außer Acht gelassen werden.

Ein Regelungsmechanismus, wonach der Gegenstandswert eines Unterhaltsmandats im Laufe der anwaltlichen Tätigkeit von Monat zu Monat automatisch anstiegen, sodass allein die Dauer der Auseinandersetzung zu einem nicht mehr beherrschbaren Kostenrisiko und unabhängig vom Arbeitsaufwand und der Schwierigkeit der zu erörternden Rechtsfragen zum bestimmenden Faktor für die Höhe der letztlich verdienten Gebühren werden könnte, liefe der intendierten Privilegierung der Rechtsuchenden in Unterhaltssachen zuwider und schüfe gerade für den sozial schwächeren Beteiligten, der nicht in allen Fällen über einen durchsetzbaren Anspruch auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses verfügen müsse, einen verhängnisvollen Anreiz, schneller nachzugeben und die Dinge auf sich beruhen zu lassen, bevor die verursachten Kosten weiter anstiegen.

Praxishinweis

Unter Berufung auf die Entscheidung des OLG Nürnberg (Urteil vom 08.01.2002 - 3 U 3129/01, BeckRS 2002, 30230795) wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass dann, wenn der Anwalt außergerichtlich mit der Durchsetzung oder Abwehr wiederkehrender Unterhaltsansprüche beauftragt wird, für den Streitwert sämtliche bei Beendigung der außergerichtlichen Vertretung fälligen Beträge zu berücksichtigen sind, ebenso wie die Beträge der darauf folgenden 12 Monate, sofern für die Zukunft nicht geringere Beträge geltend gemacht werden (vgl. Schneider NJW-Spezial 2009, 123 f.; Schneider NZFam 2020,157). Das OLG Frankfurt a. M. hat in seiner ausführlich begründeten Entscheidung die Gegenposition eingenommen und berücksichtigt lediglich die zum Zeitpunkt der Auftragserteilung fälligen rückständigen Beträge. Das OLG Frankfurt a. M. hat die Revision zugelassen.

Redaktion beck-aktuell, 5. März 2020.