OLG Stuttgart: Keine Terminsgebühr für eine Besprechung über das anzurufende Gericht

VV Vorbem. 3 III 3 Nr. 2 RVG

Eine außergerichtliche Besprechung darüber, ob eine Streitigkeit vor dem Prozessgericht im Inland oder vor einem ausländischen Schiedsgericht weitergeführt werden soll, löst für sich allein nicht die Terminsgebühr gemäß VV 3104 RVG aus. (Leitsatz des Gerichts)

OLG Stuttgart, Beschluss vom 16.07.2019 - 8 W 219/19, BeckRS 2019, 18287

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 18/2019 vom 04.09.2019

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Sachverhalt

Die Klägerin hatte eine Klage erhoben, die Beklagte daraufhin die Einrede einer vertraglich vereinbarten Schiedsklausel und damit verbunden der Unzuständigkeit des angerufenen LG H. erhoben. Nachdem das Gericht auf die Unzulässigkeit der Klage hingewiesen und einen Verhandlungstermin angesetzt hatte, nahm die Klägerin ihre Klage zurück, was einen Beschluss zur Folge hatte, demzufolge die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hatte. Der Rücknahmeerklärung war ein Telefonat zwischen den beiden Parteivertretern vorausgegangen, deren Inhalt im Einzelnen streitig war.

Seitens der Beklagten wurde geltend gemacht, es habe eine telefonische Besprechung hinsichtlich des weiteren Vorgehens in dieser Sache stattgefunden, insbesondere auch im Hinblick auf ein außergerichtliches Streitbeilegungsverfahren, und die Beklagtenvertreterin, die zuvor ausdrücklich um eine Streitbeilegung gebeten habe, sei dann aufgefordert worden, korrekte Übersetzungen der Verträge zu übermitteln, damit die Möglichkeiten eines Streitbeilegungsverfahrens ausgelotet werden könnten.

Mit der Beschwerde vom 3.6.2019 wurde weiter geltend gemacht, der Rechtsstreit vor dem LG habe dadurch insgesamt erledigt werden sollen, dass ein Schiedsverfahren in der Türkei durchgeführt werde, folglich habe das Telefonat der Mitwirkung an einer Besprechung gedient, die auf die Vermeidung und Erledigung des Verfahrens gerichtet gewesen sei.

Demgegenüber machte die Klägerin geltend, es sei in dem Telefonat ausschließlich darum gegangen, wo das Verfahren letztlich geführt werde, ob vor dem LG H. oder vor einem Schiedsgericht in der Türkei. Um eine außergerichtliche Streitbeilegung sei es nicht gegangen. Die Rechtspflegerin des LG H. setzte im Rahmen des angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 16.5.2019 die geltend gemachte 1,2 Terminsgebühr nicht an und führte zur Begründung aus, die Beklagte habe die Voraussetzungen einer solchen Gebühr nicht glaubhaft gemacht. Hiergegen wandte sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde.

Das LG half der Beschwerde nicht ab. Die Beschwerde hatte vor dem OLG Stuttgart keinen Erfolg.

Entscheidung: Besprechung über endgültige Erledigung erforderlich, fehlende Glaubhaftmachung

Die Entscheidung der Rechtspflegerin des LG H., die geltend gemachte Terminsgebühr nicht als erstattungsfähig anzuerkennen und daher vom festzusetzenden Betrag in Abzug zu bringen, halte einer rechtlichen Nachprüfung stand. Die Voraussetzungen der Entstehung einer Terminsgebühr nach VV Vorbem. 3 III 3 Nr. 2 RVG könnten im hiesigen Fall nicht festgestellt werden, sie seien nicht glaubhaft gemacht. Der BGH (NJW-RR 2007, 1578) habe in einer Entscheidung ausgeführt, dass diese Gebühr nicht schon durch ein allgemeines Gespräch über die grundsätzliche Bereitschaft oder abstrakte Möglichkeit einer außergerichtlichen Einigung ausgelöst werde und dass der Gesetzgeber mit der Anerkennung einer Terminsgebühr in VV Vorbem. 3 III 3 Nr. 2 RVG die außergerichtliche Streitbeilegung habe fördern wolle. Es gehe geht also um das Bemühen des Rechtsanwalts um Auflösung der inhaltlichen Auseinandersetzung der beteiligten Prozessparteien. Dieser Zielsetzung würde es widersprechen, bereits eine Besprechung über den Ort der Austragung der unverändert bleibenden Auseinandersetzung oder über die Frage nach der Zuständigkeit von Gericht bzw. Schiedsgericht genügen zu lassen, um die Terminsgebühr auszulösen.

Soweit die Beklagte geltend mache, es sei in dem Telefonat nicht nur um die Frage Gericht - Schiedsgericht, sondern auch um eine außergerichtliche Streitbeilegung gegangen, stehe dem die anderslautende, ausdrückliche Erklärung der Klägervertreterin entgegen, glaubhaft gemacht habe die Beklagte ihre Behauptung nicht. Es sei noch nicht einmal vorgetragen, was insoweit in dem Telefonat abgesehen von der Problematik der vertraglichen Schiedsklausel konkret besprochen worden sein solle. Auch wenn die Klägervertreterin eine außergerichtliche Streitbeilegung gewünscht haben solle, was sich aus dem Schreiben vom 5.12.2018 gerade nicht ergebe (darin heißt es nämlich: „… interessengerechter, wenn wir das Verfahren in Deutschland weiterführen.“), so genüge dies nicht, solange - wie hier - ein entsprechender, auf Beendigung der Auseinandersetzung gerichteter Gesprächsinhalt nicht dargelegt und glaubhaft gemacht ist.

Praxishinweis

Die Entscheidung des OLG Stuttgart überzeugt nicht. Die Terminsgebühr in der Entstehungsvariante der außergerichtlichen Erledigungsbesprechung entsteht nach VV Vorbem. 3 III 3 Nr.2 RVG für die Mitwirkung an Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind. Im vorliegenden Fall führte das Telefonat der Parteien immerhin zur Rücknahme der Klage vor dem LG H. und damit zu einer Erledigung des Verfahrens. Hierdurch ist die Terminsgebühr für eine außergerichtliche Erledigungsbesprechung angefallen.

Was den weitergehenden Gesprächsinhalt anbelangt zeigt die berichtete Entscheidung, dass entscheidend wichtig ist, die tatsächlichen Voraussetzungen des Vergütungstatbestands glaubhaft zu machen, wobei gem. § 294 I ZPO alle Beweismittel unter Einschluss der eidesstattlichen Versicherung verwendet werden können (vgl. BGH, NJW 2007, 2493; Mayer in Mayer/Kroiß, RVG, 7 Aufl. 2018, Vorbem. 3 Rn. 76).

Redaktion beck-aktuell, 10. September 2019.