BGH: Anwaltliche Vertragsverletzung muss Motiv für die Kündigung sein

BGB §§ 622, 626, 627 I, 628 I 2

Die Kündigung des Dienstverhältnisses ist nur dann durch ein vertragswidriges Verhalten veranlasst, wenn zwischen dem vertragswidrigen Verhalten und der Kündigung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Dies ist dann der Fall, wenn die Vertragsverletzung Motiv für die außerordentliche Kündigung war und sie diese adäquat kausal verursacht hat. Vorarbeiten eines Anwalts, welche noch zu keinem Arbeitsergebnis geführt haben, das an den Mandanten oder einen Dritten herausgegeben werden sollte, können eine Pflichtwidrigkeit nicht begründen, selbst wenn sie Fehler aufweisen. (von der Schriftleitung bearbeitete Leitsätze des Gerichts)

BGH, Urteil vom 07.03.2019 - IX ZR 221/18, BeckRS 2019, 5577

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 09/2019 vom 24.04.2019

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Sachverhalt

Der Kläger war Rechtsanwalt. Er wurde von der Beklagten am 7.10.2014 beauftragt, zwei Vertragsentwürfe zu fertigen, durch welche zwei der Beklagten gehörende Grundstücke im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf ihre Kinder übertragen werden sollten. Dabei sollte der Beklagten jeweils ein lebenslänglicher Nießbrauch vorbehalten werden. Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 10.10.2014 den Anwaltsvertrag und führte als Begründung an, sie benötige noch Bedenkzeit und wolle den Wert der Häuser schätzen lassen. Mit Schreiben vom 13.10.2014 übersandte der Kläger der Beklagten zwei Vertragsentwürfe, welche er vor der Kündigung als „erste grobe“ Entwürfe gefertigt habe, und zwei Kostenrechnungen über 16.342,27 EUR und 9.202,27 EUR. Die Beklagte trat den Rechnungen entgegen und berief sich nunmehr auf den Wegfall der Vergütungspflicht wegen einer steuerschädlichen Vertragsgestaltung. Der Kläger klagte neben anderen Beträgen die von ihm für die Entwurfstätigkeit geltend gemachten anwaltlichen Honorare ein. Das Landgericht wies insoweit die Klage ab, das Berufungsgericht seine Berufung zurück. Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, mit der er die Verurteilung der Beklagten erreichen möchte. Die Revision hatte Erfolg.

Entscheidung: Vertragsverletzung muss Motiv für die außerordentliche Kündigung sein; keine Pflichtwidrigkeit bei Fehlern in Vorarbeiten

Die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 628 I 2 Fall 2 BGB lägen entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts nicht vor.

Für § 628 I 2 BGB werde allgemein vertreten, dass die schuldhafte Vertragsverletzung der Grund für die außerordentliche Kündigung gewesen sein müsse. Die Vertragswidrigkeit müsse für die konkrete Kündigung kausal gewesen sein. Erlange der Kündigende erst später Kenntnis von einer hinreichenden Vertragswidrigkeit, fehle die Kausalität. In diesem Sinne habe der BGH zum Honoraranspruch des Arztes entschieden: Veranlassung bedeute, dass zwischen dem vertragswidrigen Verhalten und der Kündigung ein unmittelbarer Zusammenhang bestehe. Dies sei dann der Fall, wenn die Vertragsverletzung Motiv für die außerordentliche Kündigung gewesen sei und sie adäquat kausal verursacht habe.

Nichts Anderes gelte für den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts. Auch er behalte seinen (Teil-) Vergütungsanspruch nach § 628 I 1 BGB, wenn zwischen seinem vertragswidrigen Verhalten und der Kündigung durch den Mandanten kein unmittelbarer Zusammenhang bestehe, wenn also sein vertragswidriges Verhalten nicht Motiv für die Kündigung war und sie nicht adäquat kausal verursacht habe.

§ 628 I 2 BGB könne, um Wertungswidersprüche innerhalb der Regelung zu vermeiden, nicht anders ausgelegt werden als § 628 II BGB, welcher ebenfalls darauf abstelle, dass die Kündigung durch vertragswidriges Verhalten des anderen Teiles veranlasst werde. Zu dieser Regelung werde einhellig vertreten, dass die schuldhafte Vertragsverletzung Anlass für die Auflösung gewesen sein müsse. Es müsse ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem vertragswidrigen Verhalten und der Kündigung oder dem Aufhebungsvertrag bestehen.

Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 628 I 2 Fall 2 BGB träfen den Dienstberechtigten, weil er sich gegenüber der grundsätzlichen Vergütungspflicht des § 628 I 1 BGB auf eine Ausnahme berufe. Ein vertragswidriges Verhalten iSv § 628 I 2, II BGB setze, obwohl nach dem Wortlaut ein objektiv vertragswidriges Verhalten genügen würde, schuldhaftes Verhalten iSd §§ 276, 278 BGB voraus. Es sei nicht erforderlich, dass das vertragswidrige Verhalten als schwerwiegend oder als wichtiger Grund iSd § 626 I BGB anzusehen sei. Dies bedeute allerdings nicht, dass jeder geringfügige Vertragsverstoß des Dienstverpflichteten den Entgeltanspruch entfallen lasse.

Ein solch schuldhaft pflichtwidriges Verhalten des Klägers habe die Beklagte nicht dargetan und das Berufungsgericht nicht festgestellt. Dabei könne unterstellt werden, dass die Vertragsentwürfe, wie sie der Kläger bis zu der Kündigung entwickelt habe, einen Fehler aufwiesen, weil er nach dem Wortlaut der Entwürfe in den Vertragstext nicht den von der Beklagten aus Steuergründen erstrebten Vorbehaltsnießbrauch, sondern einen im konkreten Fall steuerschädlichen Zuwendungsnießbrauch aufgenommen hatte. Solche Vorarbeiten eines Anwalts, welche noch zu keinem Arbeitsergebnis geführt hätten, das an den Mandanten oder einen Dritten herausgegeben werden sollte, können nach dem BGH eine die Kündigung veranlassende und zum Ausschluss seines Vergütungsanspruchs führende Pflichtwidrigkeit iSv § 628 I 2 BGB nicht begründen, selbst wenn sie Fehler aufwiesen.

Praxishinweis

Mit einer ausführlich und überzeugend begründeten Entscheidung hat der BGH die Auslegung von § 628 I 2 BGB wieder zurechtgerückt. Die Entscheidung des Kammergerichts (BeckRS 2018, 15152 mAnm Mayer FD-RVG 2018, 407598), wonach auch noch ein nachgeschobener Kündigungsgrund, der im Zeitpunkt der Kündigung schon bestanden habe, dem kündigenden Dienstberechtigten aber seinerzeit noch nicht bekannt gewesen sei, die Kündigung im Sinne der Vorschrift veranlasst haben kann, war schon schwer mit dem Wortlaut des § 628 I 2 BGB „veranlasst“ vereinbar.

Der BGH hat zutreffend unterstrichen, dass eine solche „Veranlassung“ nur gegeben ist, wenn zwischen dem vertragswidrigen Verhalten und der Kündigung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht und dies noch weiter mit dem Erfordernis konkretisiert, dass eine Vertragsverletzung Motiv für die außerordentliche Kündigung gewesen sein muss und sie adäquat kausal verursacht haben muss.

Aus Anwaltssicht erfreulich ist auch die Klarstellung des BGH, dass Vorarbeiten des Anwalts, die noch zu keinem Arbeitsergebnis geführt haben, das an den Mandanten oder einen Dritten herausgegeben werden sollte, eine Pflichtwidrigkeit nicht begründen können, selbst wenn sie Fehler aufweisen.

Redaktion beck-aktuell, 24. April 2019.