BGH: Nur berechtigte Schadensersatzforderung für den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten maßgeblich

BGB § 249 II 1

Dem Anspruch des Geschädigten auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist im Verhältnis zum Schädiger grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht. Abzustellen ist dabei auf die letztlich festgestellte oder unstreitig gewordene Schadenshöhe. Auf den für den Ersatzanspruch maßgeblichen Gegenstandswert hat es keinen werterhöhenden Einfluss, dass der Geschädigte im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts noch davon ausgegangen ist, seine Hauptforderung sei zu einem höheren als dem später festgestellten oder unstreitig gewordenen Betrag begründet. (von der Schriftleitung bearbeitete Leitsätze des Gerichts)

BGH, Urteil vom 05.12.2017 - VI ZR 24/17, BeckRS 2017, 138416

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 3/2018 vom 31.01.2018

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Sachverhalt

Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt Eigentümer eines damals acht Jahre alten Pkw, eines VW, der durch ein bei der Beklagten versichertes Kraftfahrzeug beschädigt wurde. Nachdem der Kläger ein Sachverständigengutachten zur Schadenshöhe eingeholt hatte, beauftragte er seinen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung des darin ermittelten Schadens von 4.558 EUR, in dem Reparaturkosten von 3.882 EUR netto unter Zugrundelegung von Stundenverrechnungssätzen der VW-Niederlassung in F. enthalten waren. Daraufhin verwies die Beklagte den Kläger auf die Möglichkeit, die Reparatur bei einer anderen Fachwerkstatt mit niedrigeren Stundenverrechnungssätzen zu Kosten iHv 2.980 EUR durchführen zu lassen, und leistete auf dieser Grundlage Schadensersatz iHv 3.651 EUR. Ausgehend von diesem Gegenstandswert erstattete sie zudem 414 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten. Demgegenüber verlangte der Kläger, ausgehend von einem Gegenstandswert von 4.558 EUR, Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten iHv 493 EUR. Mit der Klage machte er die Differenz von 79 EUR nebst Zinsen geltend. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Auf die Berufung der Beklagten änderte das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil dahingehend ab, dass es die Klage abgewiesen hat. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision beantragte der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils. Die Revision hatte keinen Erfolg.

Rechtliche Wertung

Der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch umfasse grds. auch den Ersatz der durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten, § 249 II 1 BGB. Nach der stRspr des BGH habe der Schädiger allerdings nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren.

Beauftrage der Geschädigte einen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer, so sei der Umfang des Ersatzverlangens nur für die Abrechnung zwischen dem Geschädigten und seinem Anwalt maßgebend (Innenverhältnis). Kostenerstattung aufgrund des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs könne der Geschädigte vom Schädiger dagegen grds. nur insoweit verlangen, als seine Forderung diesem gegenüber auch objektiv berechtigt ist. Die von einem – einsichtigen – Geschädigten für vertretbar gehaltenen Schadensbeträge seien demgegenüber nicht maßgeblich. Denn Kosten, die dadurch entstehen, dass dieser einen Anwalt zur Durchsetzung eines unbegründeten Anspruchs beauftrage, könnten dem Schädiger nicht mehr als Folge seines Verhaltens zugerechnet werden. Damit sei dem Anspruch des Geschädigten auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten im Verhältnis zum Schädiger grds. der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspreche.

Da es sich bei dem Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten um eine Nebenforderung handele, deren Höhe sich erst bestimmen lasse, wenn die Hauptforderung konkretisiert sei, sei ihm grds. der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der letztlich festgestellten oder unstreitig gewordenen Schadenshöhe entspreche. Nehme der Geschädigte die von Schädigerseite erbrachte Leistung auf die Hauptforderung als endgültig hin und stelle die Höhe der Hauptforderung nicht zur gerichtlichen Entscheidung, so sei für die Bestimmung des dem Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten zugrunde zu legenden Gegenstandswerts von der Berechtigung der Hauptforderung (nur) in Höhe der Erfüllungsleistung auszugehen.

Entgegen der Ansicht der Revision habe es auf den für den Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten maßgeblichen Gegenstandswert keinen werterhöhenden Einfluss, dass der Geschädigte im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts noch davon ausgegangen sei, seine Hauptforderung sei zu einem höheren als dem später festgestellten oder unstreitig gewordenen Betrag begründet. Ob die Hauptforderung in der geltend gemachten Höhe letztlich objektiv berechtigt sei, hänge nicht nur davon ab, ob die den Anspruch einschließlich der Anspruchshöhe begründenden Voraussetzungen erfüllt seien und der Anspruch, wie von der Revision formuliert, „zunächst begründet“ sei, sondern auch davon, ob und inwieweit der Anspruchsgegner mit Einwendungen oder Einreden gegen den Anspruchsgrund oder die Anspruchshöhe Erfolg habe. Nach den insoweit von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts habe der Kläger – bezogen auf die Hauptforderung – den Verweis der Beklagten auf die günstigere Reparaturmöglichkeit und die damit verbundene Kürzung des Anspruchs auf Ersatz fiktiver Reparaturkosten hingenommen. Es komme daher nicht darauf an, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für einen berechtigten Verweis auf eine günstigere Fachwerkstatt vorlagen. Der für den Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten maßgebliche Gegenstandswert richte sich daher nach der entsprechend reduzierten Summe der Hauptforderung iHv 3.651 EUR.

Praxistipp

Die Entscheidung des BGH ist zwar juristisch konsequent, in der praktischen Handhabung jedoch unbequem. Für den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts im Innenverhältnis ist maßgebend, mit der Durchsetzung welcher Forderung er vom Geschädigten beauftragt wird. Muss der Geschädigte im Laufe der Regulierung eine Kürzung der von ihm geltend gemachten Hauptforderung hinnehmen, hat er auf dem Hintergrund der Rspr. des BGH einen Teil der angefallenen Anwaltskosten selbst zu tragen (vgl. zur Gegenauffassung im Zusammenhang mit dem Verweis auf günstigere Reparaturmöglichkeiten AG Düsseldorf BeckRS 2016, 21392).

Redaktion beck-aktuell, 31. Januar 2018.