BFH: Verpflichtung von Rechtsanwälten zur Abgabe der Zusammenfassenden Meldung trotz Schweigepflicht

UStG § 18 a II, IV, VII, XI

Ein Rechtsanwalt, der Beratungsleistungen an im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer erbracht hat, die ihm ihre Umsatzsteueridentifikationsnummer mitgeteilt haben, kann die unter anderem für diese Fälle vorgeschriebene Abgabe einer zusammenfassenden Meldung mit den darin geforderten Angaben (u. a. Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Mandanten, Gesamtbetrag der Beratungsleistung an den Mandanten) nicht unter Berufung auf seine Schweigepflicht verweigern. (Leitsatz des Gerichts)

BFH, Urteil vom 27.09.2017 - XI R 15/15, BeckRS 2017, 132666

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 25/2017 vom 13.12.2017

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Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin, eine Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung, erbrachte im II. Quartal 2010 (Meldezeitraum) ua sonstige Leistungen aus anwaltlicher Tätigkeit an Unternehmer als Leistungsempfänger, die im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässig sind. Die Klägerin nahm deshalb an, dass gemäß § 3 a II UStG der Ort der Leistung nicht im Inland liege und im Wege der Umkehr der Steuerschuldnerschaft („reverse charge“) die Leistungsempfänger in ihrem Ansässigkeitsstaat die Umsatzsteuer des Ansässigkeitsstaats schulden. Dementsprechend erteilte sie Rechnungen ohne deutsche Umsatzsteuer und sah von deren Abführung ab. In ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für das II. Quartal 2010 erklärte die Klägerin insoweit zwar gem. § 18 b S. 1 Nr. 2 UStG innergemeinschaftliche sonstige Leistungen, gab aber keine Zusammenfassende Meldung iSd § 18 a UStG ab.

Im Hinblick darauf erinnerte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Bundeszentralamt für Steuern – BZSt –) die Klägerin mit „Erinnerung“ vom 17.10.2011, der eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, an die Abgabe der Zusammenfassenden Meldung für das II. Quartal 2010 und bat, diese unverzüglich zu übersenden. Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen mit Zustimmung des BZSt erhobene Sprungklage, mit der die Klägerin geltend machte, sie dürfte als Rechtsanwaltsgesellschaft gem. § 102 I Nr. 3 AO die Weitergabe solcher Informationen verweigern, die ihr in ihrer anwaltlichen Eigenschaft anvertraut oder bekannt geworden seien, was die Nennung der Identität nebst Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ihrer im Ausland ansässigen Mandanten einschließe, ab. Mit ihrer Revision rüge die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe die von ihm vorgenommene Güterabwägung zwischen anwaltlicher Schweigepflicht und Gleichmäßigkeit der Besteuerung unzutreffend vorgenommen und überdies zu Unrecht angenommen, dass eine konkludente Einwilligung der Mandanten in die Weitergabe ihrer Daten angenommen werden könne. Überdies verletze die Pflicht zur Abgabe der Zusammenfassenden Meldung ihre Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV); denn die Pflicht zur Offenbarung der USt-IdNr. könne Mandanten aus anderen Mitgliedstaaten davon abhalten, sie zu beauftragen, wenn sie dafür auf die Verschwiegenheitspflicht verzichten müssten. Auch dies sei nicht gerechtfertigt. Die Revision hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Rechtliche Wertung

Die Klägerin habe die Abgabe der zusammenfassenden Meldung und der darin geforderten Angaben nicht aufgrund von § 102 I Nr. 3 Buchst. b AO verweigern dürfen; denn sie sei aufgrund der Mitteilung (Verwendung) der USt-IdNr. von den Mandanten insoweit konkludent von ihrer Schweigepflicht entbunden worden. Der Rechtsanwalt sei zur Verschwiegenheit verpflichtet (§ 43 a II BRAO und berechtigt (§ 2 I BORA). Nach § 102 I Nr. 3 Buchst. b AO könnten deshalb ua Rechtsanwälte die Auskunft über das verweigern, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut oder bekannt geworden sei. Die Vorschrift diene dem Schutz des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Rechtsanwalt und Mandanten. Der Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen Anwalt und Mandant liege darüber hinaus auch im Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen und geordneten Rechtspflege. § 102 AO gelte für eigene und fremde Steuersachen des Berufsträgers. Geschützt seien nur mandatsbezogene Geheimnisse, die einem Berufsträger oder einem seiner Mitarbeiter bei Ausübung oder Anbahnung eines Mandats bekannt geworden seien. Dies umfasse sowohl die Identität des Mandanten als auch die Tatsache seiner Beratung. Jedoch gelte das Verweigerungsrecht nicht für Mandanten, die auf eine Geheimhaltung ihrer Identität verzichtet haben. Die Rechte des Mandanten beschränkten sich darauf, den Berufsträger von dessen Verschwiegenheitspflicht entbinden zu können oder nicht; mache der Berufsträger freiwillig Angaben, seien diese verwertbar. Das Auskunftsverweigerungsrecht sei jedoch nicht schrankenlos. Die in § 102 I Nr. 3 AO genannten Personen dürften die Auskunft nicht verweigern, wenn sie von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden seien (§ 102 Abs. III 1 AO), was auch stillschweigend geschehen könne. Dem Berufsträger stehe dann kein Auskunftsverweigerungsrecht zu. Er mache sich dann auch nicht nach § 203 I Nr. 3 StGB strafbar. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Verschwiegenheit liege außerdem nicht vor, soweit Gesetz und Recht eine Ausnahme forderten oder zuließen (§ 2 III BORA). Im Streitfall könne offenbleiben, ob die in § 18 a UStG unter den dort genannten Voraussetzungen allgemein für sämtliche Unternehmen gesetzlich normierte Pflicht zur Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung nicht ohnehin die anwaltliche Schweigepflicht zulässigerweise einschränke. Ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer als Leistungsempfänger willige jedenfalls mit der Mitteilung (Verwendung) der USt-IdNr. gegenüber dem leistenden Unternehmer (hier: der Klägerin) in die Offenbarung der USt-IdNr. in einer zusammenfassenden Meldung ein. Dies ergebe sich aus dem EU-weit harmonisierten – und daher auch ausländischen Unternehmern als Leistungsempfängern bekannten – System der Besteuerung innergemeinschaftlicher Dienstleistungen.

Praxistipp

Der BFH betont mit der berichteten Entscheidung die Bedeutung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer für das Funktionieren des Mehrwertsteuer-Informationsausstauschssystems (MIAS). Wenn der Leistungsempfänger (ggfs. nachträglich) die Mitteilung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer für einen bestimmten Umsatz verweigert, kann der leistende Unternehmer gemäß § 19 II MwSt-VO davon ausgehen, dass die Leistung für den privaten Bereich des Leistungsempfängers bezogen worden ist, und die Leistung (nachträglich) wegen § 3a I UStG der deutschen Umsatzsteuer unterwerfen (vgl. Anm. Treiber DStR 2017, 2611, 2615).

Redaktion beck-aktuell, 13. Dezember 2017.