LG Berlin: Umlagefähigkeit der Kosten für Wach- und Schließdienst

BGB § 556 I; BetrKV § 2 Nr. 17

Kosten des Wach- und Schließdienstes sind sonstige Betriebskosten gemäß § 2 Nr. 17 BetrKV und sind im Zweifel nicht umlegbar, sofern zwischen den Mietparteien keine wirksame Umlagevereinbarung getroffen worden ist.

LG Berlin, Beschluss vom 08.07.2019 - 65 S 231/18, BeckRS 2019, 24178

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub, Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München und Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 08/2020 vom 23.04.2020

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Sachverhalt

Die Parteien vereinbarten in ihrem Wohnraummietvertrag über eine Wohnung in Berlin Neukölln die Umlage bestimmter Kosten und fügten als Anlage hierzu eine Auflistung dieser bei. Unter Ziffer 7 dieser Anlage war die Position „Sicherheitsdienst“ aufgelistet. Ausweislich der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2016 legte die Vermieterin insgesamt 209.922,96 EUR um. Der auf den Mieter umgelegte Anteil für die Wohnfläche von 30,63 m² betrug 445,11 EUR. Die Vermieterin stellte die Bewachungs- und Conciergekosten als notwendige Kosten in die Betriebskostenabrechnung ein. Hiergegen klagte der Mieter auf Rückzahlung, und zwar mit der Begründung, die Umlage genüge nicht den gesetzlichen Anforderungen. Der Vermieter ist der Ansicht, ein Wach- und Schließdienst mit monatlich wechselnden Kosten sei auf Wunsch der Mieter beauftragt worden. Es handelte sich um eine Wohnanlage mit 343 Wohneinheiten; vor Ort gebe es aktiven Drogenhandel, so dass ein 24-Std-Sicherheitsdienst erforderlich sei. Der Vermieter hatte auf zahlreiche Vandalismusschäden, rechtswidrige Sperrmüllablagerungen mit Brandgefahr, Sicherheitsgefährdung durch unbefugte Dritte im Gebäude, "auf dem Vormarsch befindliche Clan-Kriminalität" mit zwei Vorfällen im Jahr 2018 nur wenige hundert Meter von der Liegenschaft entfernt (Massenschlägerei vor dem Rathaus Neukölln sowie Erschießen eines Clan-Mitglieds vor dem Eingang des Tempelhofer Felds) und eine Drogenentzugsklinik neben der Wohnanlage verwiesen.

In der Berufung erklärten die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt, sodass über die Kosten zu entscheiden war. 

Entscheidung

Die ursprüngliche, übereinstimmend für erledigt erklärte negative Feststellungklage hätte in der Hauptsache Erfolg gehabt, denn es bestehe kein Anspruch des Vermieters auf die Kosten für den   Wach- und Schließdienst. Es fehle an der Umlagefähigkeit gemäß §§ 556 Abs. 1 BGB, 2 Nr. 17 BetrKV. Die Mietvertragsregelung sei nicht dahingehend auslegbar, dass eine zwingende Notwendigkeit einer Umlage der Kosten bestanden habe. Die Miete sei grundsätzlich als Inklusivmiete ausgestaltet. Eine konkrete "Gefahrenlage“, insbesondere durch Substanzbeschädigungen in der Wohnanlage, sei ebenso wenig erkennbar wie eine Einschätzung des Wohngebiets als Brennpunkt mit einer hohen Kriminalitätsrate. Eine Erstattungsfähigkeit der Kosten für den Wachdienst gern. § 2 Nr. 17 BetrKV sei grundsätzlich gegeben, wenn eine konkrete Vereinbarung hierzu getroffen worden sei und die Erhebung dieser Kosten aufgrund des Sicherheitsbedürfnisses der Mieter konkret erforderlich sei. Zu den materiellen Anforderungen der Umlegbarkeit in Bezug auf das Sicherheitsbedürfnis der Mieter müsse der Vermieter konkret vortragen. Relevant seien dabei die Größe der Wohnanlage, die Anforderungen an die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung sowie ein etwaiges Bedürfnis der Mieter nach gesteigerter Sicherheit. Der Vermietervortrag reiche insoweit nicht aus. Zudem sei die Prävention von Vandalismus und illegalem Sperrmüll allein im Interesse des Vermieters.

Praxishinweis

Der BGH hatte bereits entscheiden (BGH, Beschluss vom 05.04.2005 - VIII ZR 78/04, NZM 2005, 452), dass die Umlegbarkeit von Concierge-Kosten als sonstige Betriebskosten Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung und daher stets eine Enzelfallentscheidung notwendig ist. So hat das AG Berlin-Charlottenburg (Urteil vom 30.01.2007 – 224 C 276/06, BeckRS 2008, 2352) entschieden, dass eine mietvertragliche Vereinbarung über die Umlage der Kosten für einen „Pförtner“ nicht die Wachschutzkosten umfasst; das OLG Celle (OLG Celle, Urteil vom 16.12.1998 - 2 U 23–98, NZM 1999, 501) hingegen hält diese Kosten innerhalb der „sonstigen Betriebskosten“ für umlagefähig, wenn eine Gefährdung vorliege. In diesem Sinne muss aber konkret zu einer Gefahrenlage vorgetragen werden. Insoweit ist dem LG Berlin zuzustimmen, dass die Behauptungen der Vermieterin zB hinsichtlich der räumlich nahen Clan-Kriminalität pauschal und damit nicht ausreichend sind. Das Gericht hätte sich aber mit der Behauptung auseinandersetzen müssen, dass der Concierge-Dienst auf Wunsch der Mieter beauftragt worden ist.

Den Ausführungen des Gerichts, Vandalismusschäden und die illegale Ablagerung von Sperrmüll würden lediglich Vermieterinteressen betreffen, kann jedoch nicht zugestimmt werden. Regelmäßig haben auch Mieter ein Interesse daran, in einer mangelfreien Wohnanlage zu leben. Durch Vandalismus zerstörte Aufzuganlagen oder Briefkästen betreffen die Mieter sogar direkt. Wilde Sperrmüllablagerung stellt zudem ein erhöhtes Brandrisiko dar (Pfeifer in BeckOK MietR, 01.03.2020 , § 556 BGB Rn 1018b).

Redaktion beck-aktuell, 23. April 2020.