Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub, Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München und Frankfurt
Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 17/2019 vom 29.08.2019
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Sachverhalt
Die Kläger sind Mieter einer Wohnung in Berlin. Laut Berliner Mietspiegel übersteigt die im Mietvertrag vom 15.12.2017 vereinbarte und von den Mietern gezahlte Miete die höchst zulässige Miete um 62%. Dies beanstandeten sie außergerichtlich gegenüber der Vermieterin. Diese teilte den Mietern mit, dass vorliegend der Ausnahmetatbestand des § 555e Abs. 1 BGB vorliege; bereits die Vormiete sei so hoch gewesen wie die von den Klägern geschuldete. Die Mieter verlangten die Vorlage einer Kopie des Vormietvertrages, worauf die Beklagte nicht reagierte.
Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 09.01.2019 bezüglich des von den Klägern verfolgten Auskunftsanspruchs über die Vormiete abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Auskunftsanspruch erfüllt sei; er beschränke sich auf die Abgabe einer Wissenserklärung, die abgegeben worden sei. Von einer Nichterfüllung sei nur auszugehen, wenn offensichtlich ist, dass die Erklärung nicht dem Wissen des Auskunftsschuldners entspricht. Belegansprüche hätten die Kläger nicht eingeklagt.
Mit ihrer Berufung verfolgten die Kläger den Auskunftsanspruch weiter. Sie sind der Ansicht, dem Vermieter sei es zumutbar, die von ihm aufgestellte Behauptung der gleich hohen Vormiete und damit das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes des § 556e Abs. 1 BGB zu belegen. Wenn der Vermieter die Vormiete ohne jeden Nachweis letztlich nur behaupten müsse, liefe das Auskunftsrecht des Mieters leer.
Rechtliche Wertung
Die Berufung hat Erfolg.
Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auskunft über die Höhe der Vormiete einschließlich Belegvorlage aus §§ 556g Abs. 3, 556e Abs. 1 BGB aF. Der Anspruch sei nicht durch Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Die zwischen den Parteien im Mietvertrag vom 15.12.2017 vereinbarte Miete überschreite die nach § 556d Abs. 1 BGB iVm der MietenbegrenzungsVO Berlin höchst zulässige Miete. Ohne dass die Beklagte dem erstinstanzlich entgegengetreten sei, haben die Kläger berechnet, dass die ortsübliche Vergleichsmiete nach dem - im Berechnungszeitpunkt veröffentlichten - Berliner Mietspiegel 2017 bei 733 € gelegen habe, die nach § 556d Abs. 1 BGB iVm der MietenbegrenzungsVO Berlin höchst zulässige Miete demnach 806 € betragen habe, während im Mietvertrag eine Nettokaltmiete von 1.300 € vereinbart gewesen sei. Für die Wirksamkeit der im Mietvertrag getroffenen Vereinbarung über die Höhe der Nettokaltmiete komme es daher darauf an, ob die Beklagte sich - außergerichtlich und gerichtlich - zu Recht auf den Ausnahmetatbestand nach
§ 556e Abs. 1 BGB berufe, § 556g Abs. 1 BGB.
Die Höhe der Vormiete bzw. das Vorliegen etwaiger Gegenausnahmen nach § 556e Abs. 1 Satz 2 BGB sei dem Mieter regelmäßig - ohne eine entsprechende Auskunft des Vermieters - nicht bekannt. § 556g Abs. 3 BGB verpflichte den Vermieter daher, auf Verlangen des Mieters Auskunft über die Tatsachen zu erteilen, die für die Zulässigkeit der vereinbarten Miete nach den Vorschriften des Unterkapitels - das heißt insbesondere nach den in §§ 556e f. BGB formulierten Ausnahmen - maßgeblich sind, soweit diese Tatsachen nicht allgemein zugänglich sind und der Vermieter hierüber unschwer Auskunft geben kann. Nach § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB dürfe in Abweichung zu § 556d Abs. 1 BGB eine Miete bis zur Höhe der Vormiete vereinbart werden, wenn die vom vorherigen Mieter ein Jahr vor Beendigung des Mietverhältnisses geschuldete Miete höher als die nach § 556d Abs. 1 BGB zulässige Miete war. Auf das Auskunftsverlangen der Kläger habe die Beklagte mit der Angabe reagiert, dass die Vormieter schon eine Nettokaltmiete in dieser Höhe gezahlt hätten. Weitere Einzelheiten habe sie weder außergerichtlich noch im Rechtsstreit mitgeteilt. Sie habe auch nicht angegeben, ob die Vormiete auf einer Mieterhöhung im letzten Jahr vor Beendigung des Mietverhältnisses beruhte. Das Verlangen auf Vorlage einer Kopie des Vormietvertrages habe die Beklagte unbeantwortet gelassen.
Die (schlichte) Angabe der Vormiete bzw. hier die Angabe, die Vormiete sei genauso hoch wie die zwischen den Parteien vereinbarte Miete gewesen, reiche nicht aus, um den Auskunftsanspruch des Mieters zu erfüllen. Die Gesetzesmaterialien sprechen für einen weitergehenden Anspruch auch auf Belegvorlage. In der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Mietrechtsnovellierungsgesetz werde ausgeführt, dass die Auskunftspflicht des Mieters dem Umstand Rechnung trage, dass dem Mieter häufig die Tatsachen nicht bekannt seien, die er für die Prüfung der zulässigen Miethöhe benötige. Auf die ihm nicht zugänglichen Umstände sei die Auskunftspflicht in inhaltlicher Hinsicht beschränkt. Zumutbar sei es ihm demgegenüber, zur Feststellung der zulässigen Miete allgemein zugängliche Quellen zu nutzen, insbesondere den örtlichen Mietspiegel. Die Auskunftspflicht erfasse demnach (nur) solche Umstände, die in der Sphäre des Vermieters liegen und die der Vermieter bereits kennt oder ohne weiteres ermitteln kann. Der Gesetzgeber beziehe sich insoweit auf die ständige Rechtsprechung im Rahmen von Auskunftsansprüchen nach § 242 BGB, wonach es darauf ankomme, ob der Verpflichtete in der Lage sei, unschwer die zur Beseitigung einer Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen. Im Fall des § 556e Abs. 1 BGB könne sich die Auskunftspflicht auf Informationen aus dem Vormietverhältnis erstrecken. Dabei dürfe der Vermieter Daten des bisherigen Mieters jedenfalls mitteilen, wenn dieser eingewilligt habe. Verlange der Mieter einen Nachweis über die Höhe der Vormiete, sei der Vermieter in der Regel befugt, dem Mieter ein geschwärztes Vertragsdokument vorzulegen.
Unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung könne das schlichte Nennen der Vormiete ohne Nachweis den Zweck des Auskunftsanspruchs, Rückforderungsprozesse zu vermeiden, tatsächlich nicht erfüllen. Würde sich die Auskunftspflicht nach § 556g Abs. 3 BGB auf die schlichte Angabe der Höhe der Vormiete beschränken, gäbe es für § 556g Abs. 3 BGB - jedenfalls bezüglich des Ausnahmetatbestandes des § 556e Abs. 1 BGB - keinen Anwendungsbereich mehr; die Regelung wäre weitgehend überflüssig. Intention der ergänzenden Regelung sei dabei eine Ausweitung der Rechte des Mieters durch Einführung einer Auskunftspflicht bei Vertragsschluss gewesen, keine Änderung der Rechte aus § 556g Abs. 3 BGB.
Für eine über die Abgabe der Wissenserklärung hinausgehende Belegvorlagepflicht spreche daneben die vom Gesetzgeber ausdrücklich in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Auskunftsanspruch aus § 242 BGB, der dem Anspruchsberechtigten nach Treu und Glauben einen Auskunftsanspruch zubillige, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen sei und wenn der Verpflichtete in der Lage sei, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen. Der Auskunftsumfang hänge davon ab, ob der Schuldner die Auskunft unschwer erteilen könne, d. h. ohne unbillig belastet zu werden, wobei auch von Bedeutung sein könne, ob der Schuldner ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse an den Angaben geltend machen könne. Der Auskunftsanspruch aus § 242 BGB umfasse zwar nicht grundsätzlich eine Pflicht zur Vorlage von Belegen; sie könne aber (ausnahmsweise) verlangt werden, wenn der Gläubiger auf die Vorlage von Belegen angewiesen sei und dem Schuldner die zusätzliche Verpflichtung zugemutet werden könne, denn der Auskunftsanspruch könne sich auf Umstände erstrecken, die der Berechtigte benötige, um die Verlässlichkeit der Auskunft zu überprüfen. Das könne im Einzelfall ausnahmsweise auch einen Anspruch auf Belegvorlage rechtfertigen.
So verhalte es sich hier. Die Kläger haben als Mieter außergerichtlich keine Möglichkeit, die Richtigkeit der schlichten Angabe des Vermieters über die Miethöhe zu überprüfen; sie haben andererseits aufgrund einer - hier erheblichen - Abweichung der vereinbarten Miete von der ortsüblichen Vergleichsmiete bzw. der nach § 556d Abs. 1 BGB iVm der MietenbegrenzungsVO Berlin höchst zulässigen Miete einen sachlich begründeten Anhaltspunkt für die Möglichkeit der Teilunwirksamkeit der mietvertraglichen Vereinbarung über die Miethöhe. Sie werden mit der Geltendmachung etwaiger Ansprüche aus §§ 556d ff. BGB im Übrigen nicht nur im eigenen Interesse, sondern durchaus im Interesse auch anderer Mieter in angespannten Wohnungsmärkten aktiv, denn es werde damit mittelbar die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete beeinflusst (vgl. § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB). Der Gesetzgeber habe im Rahmen der §§ 556d ff BGB einen rechtlichen Ansatz gewählt, nach dem die mit dem Gesetz beabsichtigte, gesellschaftlich wohl gewollte Wirkung der Dämpfung des Mietanstiegs bei der Wiedervermietung im Einzelfall und den angespannten Markt betreffend letztlich davon abhänge, ob der einzelne Mieter seine Rechte gegenüber dem Vermieter, mit dem er gerade einen Mietvertrag abgeschlossen hat, wahrnehme. Zum Schutz des Vermieters habe er jedoch Ausnahmetatbestände vorgesehen, die einen - nach den allgemein zugänglichen Quellen (Mietspiegel) - bestehenden Anspruch aus Gründen, die nicht im Kenntnisbereich des Mieters stehen (können), dann doch ausschließen. Werde im Zusammenhang mit der Angabe der Vormiete auf die Pflicht zur Vorlage eines geeigneten Beleges verzichtet, so werde dem Mieter ein zusätzliches (Prozess-)Risiko auferlegt, das weder mit dem Sinn und Zweck der Regelungen in den §§ 556d ff BGB vereinbar, noch - mit Blick auf die vom BGH entwickelten Maßstäbe - aufgrund schutzwürdiger Belange des Vermieters erforderlich erscheine.
Der Mieter könne demgegenüber unschwer schon außergerichtlich ein deutliches „Mehr“ an Sicherheit gewinnen, wenn er den (bezüglich der persönlichen Daten des Vormieters geschwärzten) Vormietvertrag oder einen anderen geeigneten Beleg erhalte. Nur so können, ohne Rechte des Mieters zu verkürzen, Prozesse vermieden und Prozessrisiken sachlich begründet abgeschätzt werden, vor allem aber die Durchsetzung der Regelungen erleichtert und befördert werden, die der Gesetzgeber zur Dämpfung des Mietanstiegs für erforderlich hielt und halte.
Praxishinweis
Die vorliegende Entscheidung ist – soweit ersichtlich – die erste veröffentlichte Rechtsprechung, die sich mit der Frage des Umfangs der Auskunftspflicht des Vermieters gemäß § 556g Abs. 3 BGB, der durch das MietAnpG unverändert übernommen wurde, befasst. Das LG Berlin begründet eine über den Wortlaut der Norm liegende Verpflichtung des Vermieters, die Höhe der Vormiete über die schlichte Auskunft hinaus durch Vorlage des (geschwärzten) Vormietvertrages zu belegen, mit der Gesetzesbegründung. Aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs.18/3121 S. 34) ergibt sich dies jedoch gerade nicht. Dort heißt es: Verlangt der Mieter einen Nachweis über die Höhe der Vormiete, ist der Vermieter in der Regel befugt, dem Mieter ein bis auf die erforderlichen Angaben geschwärztes Vertragsdokument vorzulegen. Der Vermieter ist somit nicht verpflichtet, sondern lediglich befugt, das vom Mieter gewünschte Vertragsdokument vorzulegen. Er kommt somit seiner Auskunftspflicht bereits dann nach, wenn er dem Mieter in Textform (§ 556g Abs. 4 BGB) die Höhe der Vormiete mitteilt (Artz in Münchner Kommentar z. BGB, 7. Auflage 2016, § 556g BGB Rn 11; Emmerich in Staudinger BGB, 2015, § 556g Rn 29; Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Auflage 2019, § 556g Rn 34; Fleindl in BeckOGK, Stand
Der Entscheidung ist auch deshalb nicht zuzustimmen, da die Ansprüche auf Auskunft und Belegvorlage gesetzlich voneinander getrennt zu beurteilen sind. Soweit das Gesetz eine Verpflichtung zur Vorlage von Belegen anordnet, ist dies jeweils speziell zusätzlich zur Auskunftsverpflichtung angeordnet (Börstinghaus aaO), vgl. § 666 BGB oder § 1605 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Sofern der Mieter an den Angaben des Vermieters zweifelt, hat er die Möglichkeit, gemäß § 260 Abs. 2 BGB vom Vermieter zu verlangen, seine Angaben über die Höhe der Vormiete an Eides statt zu versichern (vgl. Röver in BeckOGK, Stand
Im Übrigen ist die Vorlage des Vormietvertrages allein nicht geeignet, die Zweifel des Mieters zu beseitigen: Strebt der Mieter einen Prozess gegen den Vermieter an, so trägt der Vermieter die Darlegungs- und Beweislast zur Höhe der Vormiete. Hierfür ist es nicht ausreichend, lediglich den Mietvertrag vorzulegen, da sich hieraus nicht ergibt, ob die Miete tatsächlich gezahlt wurde. Der Vermieter muss dies vielmehr durch Vorlage von Kontoauszügen belegen oder der Vormieter muss als Zeuge vernommen werden. In der Gesetzesbegründung sind Kontoauszüge o.Ä. gerade aber nicht erwähnt.
Das LG Berlin hat die Revision zugelassen.