Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub, Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwälte Bub, Gauweiler & Partner, München
Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 08/2019 vom 25.04.2019
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Sachverhalt
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. In § 16 der Teilungserklärung ist bestimmt:
„Der in § 14 dieser Teilungserklärung erwähnte Wirtschaftsplan soll jeweils für ein Geschäftsjahr im Voraus vom Verwalter von Jahresbeginn aufgestellt werden. Dieser vom Verwalter vorgelegte Wirtschaftsplan ist für alle Eigentümer verbindlich. Er kann nur durch einen Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer geändert werden.“
In einer Wohnungseigentümerversammlung wurde mehrheitlich folgender Beschluss gefasst:
„Der Verwalter stellt den Antrag, den Gesamtwirtschaftsplan 2015 zu genehmigen, der so lange Gültigkeit hat, bis über einen neuen Wirtschaftsplan beschlossen wird.“
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass dieser Beschluss nichtig ist, hilfsweise, dass er insoweit nichtig ist, als er so lange Gültigkeit haben soll, bis über einen neuen Wirtschaftsplan beschlossen ist. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.
Entscheidung: Aus § 28 Abs. 5 WEG folgt die Kompetenz der Wohnungseigentümer zu beschließen, dass ein konkreter Wirtschaftsplan bis zur Beschlussfassung über den nächsten Wirtschaftsplan fortgelten soll
Die Revision hat keinen Erfolg.
Zutreffend gehe das Berufungsgericht davon aus, dass die Eigentümerversammlung über die erforderliche Kompetenz für den gefassten Beschluss verfügte.
Zwar bedürfe eine abstrakt-generelle Regelung des Inhalts, dass jeder künftige Wirtschaftsplan bis zur Verabschiedung eines neuen fortgelten soll, der Vereinbarung; aus § 28 Abs. 5 WEG folge aber die Kompetenz der Wohnungseigentümer zu beschließen, dass ein konkreter Wirtschaftsplan bis zur Beschlussfassung über den nächsten Wirtschaftsplan fortgelten soll.
Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG habe der Verwalter jeweils für ein Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan aufzustellen, über den die Wohnungseigentümer gemäß § 28 Abs. 5 WEG durch Stimmenmehrheit beschließen. Der so beschlossene Wirtschaftsplan sei Grundlage der Vorschusspflicht der Wohnungseigentümer aus § 28 Abs. 2 WEG. Mit dem Auslaufen des Kalenderjahres, für das der Wirtschaftsplan aufgestellt und beschlossen wurde, ende daher auch die Vorschusspflicht der Wohnungseigentümer. Dies habe zur Folge, dass eine Liquiditätslücke entstehe, wenn über den neuen Wirtschaftsplan erst im laufenden Folgejahr beschlossen werde, etwa weil sich die Beschlussfassung verzögert oder weil der neue Wirtschaftsplan erst mit der Abrechnung für das vergangene Jahr beschlossen werden soll. Es bestehe daher ein praktisches Bedürfnis dafür, dass die Wohnungseigentümer die Fortgeltung des aktuellen Wirtschaftsplans beschließen können, um Liquiditätsengpässe zu vermeiden. Die Regelung in § 28 Abs. 1 WEG stehe einem solchen Beschluss nicht entgegen. Sie ordne lediglich an, dass der Wirtschaftsplan jeweils für ein Kalenderjahr aufzustellen ist. Dem sei kein Verbot zu entnehmen, durch die Anordnung der Fortgeltung des Wirtschaftsplans bis zur Beschlussfassung über den nächsten Wirtschaftsplan Vorsorge für eine stets ausreichende Liquiditätsgrundlage der Gemeinschaft zu treffen.
Durch eine abstrakt-generelle Anordnung der Fortgeltung künftiger Wirtschaftspläne würde hingegen von der in § 28 Abs. 1 WEG gesetzlich vorgesehenen Geltungsdauer der Wirtschaftspläne abgewichen; eine solche Regelung könne nicht durch Beschluss, sondern nur durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer getroffen werden. Die Kompetenz für einen solchen Beschluss lasse sich auch nicht aus § 21 Abs. 7 WEG ableiten, denn er beträfe nicht lediglich die Fälligkeit von Forderungen aus dem Wirtschaftsplan, sondern ließe, da er selbst Rechtsgrundlage der Vorschusspflicht nach § 28 Abs. 2 WEG ist, diese Forderungen erst entstehen.
Darüber hinaus bedürfe es einer Befristung des konkreten Fortgeltungsbeschlusses nicht, da der Verwalter weder durch einen konkreten Fortgeltungsbeschluss noch durch eine generelle Fortgeltungsvereinbarung von der Pflicht entbunden werde, auch für das folgende Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan aufzustellen, über den die Wohnungseigentümer sodann zu beschließen haben. Erkennbarer objektiver Sinn und Zweck einer Fortgeltungsklausel sei die Vermeidung von Finanzierungslücken bis zur Beschlussfassung über den nächsten Wirtschaftsplan, nicht aber der Verzicht auf einen solchen. Dass sich die Aufstellung des neuen Wirtschaftsplans und die Beschlussfassung über diesen theoretisch auf unbestimmte Zeit verzögern können, ändere an dieser Beurteilung nichts. Insbesondere würden die Rechte der einzelnen Wohnungseigentümer in Bezug auf künftige Wirtschaftspläne nicht beschränkt. Sie können jeder für sich von dem Verwalter die Aufstellung des neuen Wirtschaftsplans verlangen und diesen Anspruch im Verfahren des § 43 Nr. 3 WEG gerichtlich durchsetzen. Dies ergebe sich unmittelbar aus § 28 Abs. 1 WEG. Der Fortgeltungsbeschluss stehe diesem Anspruch nicht entgegen.
Nach diesen Maßstäben haben die Wohnungseigentümer hier einen zulässigen konkreten Fortgeltungsbeschluss gefasst.
Praxishinweis
Der BGH entscheidet vorliegend die umstrittene Frage, dass ein konkreter Fortgeltungsbeschluss keiner Befristung bedarf. Die Ansicht, wonach ein Beschluss nichtig sei, der die Fortgeltung eines konkreten Wirtschaftsplans bis zur erneuten Beschlussfassung anordne, weil die Fortgeltung jeweils nur bis zu der nächsten ordentlichen Eigentümerversammlung beschlossen werden könne, auf der eine neue Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan gemäß § 28 Abs. 1 WEG herbeizuführen sei (Bartholome in BeckOK, Stand 01.09.2018, § 28 WEG Rn. 21; wohl auch LG Itzehoe, Urteil vom 17.09.2013 − 11 S 93/12, ZWE 2014, 133), hat der BGH zurecht abgelehnt.
Ein unbefristeter Fortgeltungsbeschluss entbindet nämlich die Eigentümer nicht von der jährlichen Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan (Häublein in Staudinger, 2018, § 28 WEG Rn. 159). Die Fortgeltung wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Beschlussfassung über den nächsten Wirtschaftsplan wegen Meinungsverschiedenheiten hinausgezögert wird und neu eingetretene Wohnungseigentümer von der Fortgeltungsklausel betroffen sind (KG, Beschluss vom 27.02.2002 - 24 W 16/02, NJW 2002, 3482). Ein solcher Beschluss entspricht vielmehr den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, da er die Zahlungsfähigkeit des Verbandes auch für den Fall sichert, dass ein Wirtschaftsplan – was üblich ist – erst nach Beginn des jeweiligen Wirtschaftsjahres beschlossen wird (BayObLG, Beschluss vom 13.12.2001 – 2 Z BR 93/01, ZMR 2002, 525), aber auch, wenn der Verwalter oder die Wohnungseigentümer ihre Pflichten zur Aufstellung bzw. Beschlussfassung nicht erfüllen (BayObLG, Beschluss vom 05.05.1993 – 2 Z BR 29/93, BeckRS 1993, 3615). Dies gilt auch, wenn eine verlässliche Prognose über die voraussichtlichen Einnahmen und die Ausgaben fehlt oder nicht möglich ist (KG, Beschluss vom 11.07.1990 - 24 W 3798/90, NJW-RR 1990, 1298). Darüber hinaus widerspricht ein Fortsetzungsbeschluss nicht der gesetzlichen Regelung, dass ein Wirtschaftsplan jeweils für ein Jahr aufzustellen ist, da nicht normiert ist, wann die Wohnungseigentümer über den Wirtschaftsplan entscheiden müssen; sie können daher für mehrere Kalenderjahre Wirtschaftspläne beschließen, soweit sich jeder von ihnen nur auf ein einzelnes Kalenderjahr erstreckt.
Der BGH musste sich offenbar nicht mit der Frage befassen, ob ein Beschluss über einen Gesamtwirtschaftsplan auf Anfechtung für ungültig zu erklären ist, wenn - wie offenbar hier - nicht zugleich über die Einzelwirtschaftspläne beschlossen wird, mit denen die Beitragsansprüche begründet werden (so BGH, Beschluss vom 02.06.2005 – V ZB 32/05, NJW 2005, 2061, 2068).