Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub, Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwälte Bub, Gauweiler & Partner, München
Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 24/2018 vom 06.12.2018
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Sachverhalt
Der Mieter lehnte eine vom Jobcenter angebotene Tätigkeit mit der Begründung ab, sich selbstständig machen zu wollen. Daraufhin stellte das Jobcenter die Leistungen an den Mieter – so auch die Mietzahlungen – ein. Der Mieter geriet dadurch mit der Mietzahlung kündigungsbegründend in Verzug. Die Vermieterin erklärte die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses. Das Jobcenter bot der Vermieterin an, die Rückstände auszugleichen, wenn diese das Mietverhältnis fortsetzt. Dieses Angebot lehnte die Vermieterin ab und erwirkte beim AG ein Räumungsurteil gegen den Mieter. Hiergegen richtet sich dessen Berufung.
Entscheidung: Eingetretene finanzielle Notlage war nicht unverschuldet, sondern Folge einer bewussten Entscheidung
Mit Hinweisbeschluss teilt die Kammer ihre Absicht mit, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung habe das AG den Räumungs- und Herausgabeanspruch der Klägerin gemäß § 546 Abs. 1 BG bejaht.
Das Mietverhältnis zwischen den Parteien sei durch die fristgemäß erklärte Kündigung vom 11.10.2017 mit Wirkung zum 31.07.2018 beendet, §§ 573 Abs. 1 und 2 Nr.1, 573c Abs. 1, 542 BGB. Gemäß § 573 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB könne der Vermieter das Wohnungsmietverhältnis kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an dessen Beendigung hat, weil der Mieter seine Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat. Der Berufung ließe sich nicht entnehmen, dass der Beklagte die fehlende Leistungsfähigkeit für die Mietzahlungen ab August 2017 mangels Verschulden gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB nicht zu vertreten gehabt hätte. Die eingetretene finanzielle Notlage sei nicht unverschuldet gewesen, sondern Folge seiner bewussten Entscheidung, selbstständig tätig sein zu wollen, deshalb der Forderung nach Aufnahme einer angebotenen Tätigkeit nicht nachzukommen und folglich die Leistungen des Jobcenters nicht mehr in Anspruch nehmen zu können, ohne für die Leistungsfähigkeit bezüglich der Miete künftig Sorge zu tragen. Insbesondere habe das AG zutreffend berücksichtigt, dass der Beklagte bereits seit Juni 2017 wusste, dass die Kosten der Unterkunft vom Jobcenter nicht mehr übernommen würden, ohne sich darum zu bemühen, die benötigten finanziellen Mittel für die Wohnung zu erlangen. Er sei weder gegen den Aufhebungsbescheid für die Mietzahlungen vorgegangen, noch habe er auf andere Weise versucht, seine Mietzahlungspflichten abzusichern. Die Pauschalzahlung im August habe jedenfalls nicht genügt.
Das nach der Kündigung erfolgte Angebot zur Tilgung der Schulden durch das Jobcenter genüge nicht, um die Pflichtverletzung des Beklagten als weniger schwerwiegend und auch eine Kündigung gemäß § 573 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB nicht mehr rechtfertigend bewerten zu können. Auf das Angebot sei schon keine Übernahme der Forderungen erfolgt.
Auch die schließlich mit einem Darlehn durch den Vater erfolgte Ausgleichung der offenen Beträge genüge hier aus den vom AG zutreffend herangezogenen Erwägungen nicht. Allein die Tilgung der offenen Forderungen des Vermieters innerhalb der Frist des § 569 Abs. 3 BGB reiche für sich genommen nicht aus, um die Pflichtverletzung des Mieters in Form des Zahlungsverzugs als weniger schwerwiegend und eine fristgemäße Kündigung nicht mehr rechtfertigend zu bewerten. Das würde entgegen dem Ausnahmecharakter von § 569 Abs. 3 BGB, der allein die Heilung der fristlosen Kündigung regelt, dazu führen, dass regelmäßig auch die fristgemäße Kündigung geheilt würde. Das habe der BGH jedoch aus von der Kammer geteilten Erwägungen in st. Rspr. abgelehnt. Der Klägerin sei nicht vorzuhalten, dass sie eine Übernahme der Mietschulden durch das Jobcenter und die damit gemäß § 569 Abs. 3 BGB eintretende Heilung der fristlosen Kündigung dadurch verhindert habe, dass sie dem Jobcenter gegenüber nicht erklärte, das Mietverhältnis mit dem Beklagten fortsetzen zu wollen. Weder habe die Klägerin als Vermieterin besondere Treuepflichten gegenüber dem Beklagten noch erweise sich ihr Festhalten an der Beendigung des Mietverhältnisses durch die fristgemäße Kündigung als mit den guten Sitten nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB nicht vereinbar. Die Klägerin sei nicht gehalten, bei nachträglicher Tilgung von Mietrückständen das Mietverhältnis mit dem Beklagten trotz der bereits erklärten fristgemäßen Kündigung fortzusetzen. Insbesondere sei die Klägerin als Vermieterin Mietern, die wie der Beklagte ihre Mietzahlungspflicht mit Hilfe staatlicher Transferleistungen erfüllen, nicht weitergehend verpflichtet als anderen Mietern.
Praxishinweis
Die Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB setzt nach dem Wortlaut der Vorschrift zwingend ein Verschulden des Mieters am Zahlungsrückstand voraus. Daher steht dem Vermieter kein Kündigungsrecht zu, wenn die Zahlung infolge eines Umstands unterbleibt, den der Mieter nicht zu vertreten hat. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB begünstigt somit den Mieter bei einer ordentlichen Kündigung und eröffnet ihm im Gegensatz zur fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs die Möglichkeit, sich auf unvorhersehbare wirtschaftliche Engpässe (z.B. Arbeitslosigkeit oder Krankheit) zu berufen (Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht § 573 BGB Rn. 30). Hierfür trägt der Mieter die Beweislast und muss auch regelmäßig seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenlegen und zu allen Umständen Stellung nehmen die für einen behaupteten Ausschluss der Leistungsfähigkeit von Bedeutung sein können (BGH, Beschluss vom 20.07.2016 – VIII ZR 238/15, BeckRS 2016, 16914). Der Beklagte konnte vorliegend sein Verschulden nicht widerlegen, da es seine eigene Entscheidung war, die Unterstützung des Jobcenters auszuschlagen, ohne die Mietzahlungen, zu denen er verpflichtet war, zu gewährleisten.
Darüber hinaus konnte sich auch allein die verspätete Zahlung der offenen Mietforderungen nicht zu seinen Gunsten auswirken und sein Fehlverhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen (BGH, Urteil vom 10.10.2012 – VIII ZR 107/12, NJW 2013, 159); denn die Heilung durch die sog. Schonfristzahlung gemäß § 569 Abs. 3 BGB betrifft – schon dem Wortlaut nach – nur eine fristlose Kündigung.