OLG Düsseldorf: Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot bei der Vermietung einer Wohnung

AGG §§ 1, 2 I Nr. 8, 21 II

1. Wer die Vermietung einer Wohnung an Mietinteressenten wegen deren türkischer Herkunft ablehnt, verstößt objektiv gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG.

2. Im Fall einer unmittelbaren und vorsätzlichen Verletzung des Benachteiligungsverbots hat der Vermieter gemäß § 21 Abs. 2 S. 2 AGG an den jeweiligen Mietinteressenten eine angemessene Entschädigung i.H.v. 2.500 EUR zu leisten und zudem gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 AGG die diesem entstandenen Vermögensschäden zu ersetzen, wozu auch die vergeblichen Aufwendungen für die Anfahrt zu einer Wohnungsbesichtigung gehören.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.04.2017 - I-5 U 79/16 (LG Mönchengladbach), BeckRS 2017, 143553

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub, Rechtsanwältin Nicola Bernhard, Rechtsanwälte Bub, Gauweiler & Partner, München

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 06/2018 vom 29.03.2018

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Sachverhalt

Der Kläger verfolgt gegen den Beklagten aus eigenem sowie von seiner Lebensgefährtin abgetretenem Recht Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche aufgrund einer behaupteten Benachteiligung wegen seiner ethnischen Herkunft und derjenigen seiner Lebensgefährtin.

Der Kläger suchte Anfang 2015 für sich und seine Lebensgefährtin ein Haus zur Miete. Der Beklagte ist Eigentümer eines Hauses, das er zur gleichen Zeit durch ein Inserat im Internet bei Immobilienscout24 zur Miete anbot.

Zum Zeitpunkt der Wohnungssuche war der Kläger als Pilot beschäftigt. Er und seine Lebensgefährtin waren Nichtraucher, besaßen keine Haustiere und waren kinderlos, befanden sich jedoch in der Familienplanung. Mit diesen Informationen bewarb sich der Kläger unter Angabe seines vollen Namens per E-Mail auf das Wohnungsinserat.

Der Zeuge E.-H., der Architekt des Objekts, führte im Auftrag des Beklagten mit Interessenten Besichtigungen des Hauses durch. Am 28.01.2015 informierte der Zeuge E.-H. den Kläger darüber, dass das Haus zur Verfügung stehe und bei Interesse ein Besichtigungstermin vereinbart werden könne. Zu diesem Zeitpunkt war das Haus noch an die Zeugin B. vermietet, deren Mietverhältnis zum 28.02.2015 endete. Daraufhin wurde für den 30.01.2015 ein Besichtigungstermin mit dem Kläger vereinbart und durchgeführt. Zu diesem Zweck reiste die in Bremen wohnhafte Lebensgefährtin des Klägers von dort an. Bei der Besichtigung erklärte der Zeuge E.-H., dass der Kläger und seine Lebensgefährtin in das Profil passten, das sich der Vermieter für das Haus vorstellte.

Noch am gleichen Tag teilten der Kläger und seine Lebensgefährtin dem Zeugen E.-H. mit, dass sie das Haus anmieten wollten. Der Zeuge stellte in Aussicht, mit dem Vermieter zum Zweck eines persönlichen Kennenlernens einen Termin zu vereinbaren.

Am 02.02.2015 erhielt der Kläger von dem Zeugen E.-H. eine E-Mail mit dem Inhalt, dass die Ehefrau des Vermieters ihn und seine Lebensgefährtin als Bewerber für das Haus ablehne. Ein Grund hierfür wurde nicht angegeben. Zum 01.08.2015 wurde das Objekt an ein Ehepaar mit Kind vermietet.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, wogegen sich der Kläger mit der Berufung wendet.

Rechtliche Wertung

Das OLG Düsseldorf hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat aus eigenem bzw. abgetretenem Recht gemäß § 21 AGG einen Anspruch auf materiellen bzw. immateriellen Schadenersatz wegen Benachteiligung aufgrund seiner ethischen Herkunft angenommen. Die Schadenersatzpflicht gemäß § 21 AGG ist begründet, weil der Beklagte den Kläger und seine Lebensgefährtin unter Verstoß gegen die Vorschriften des AGG benachteiligt hat.

Der Anwendungsbereich ist eröffnet. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG sind Benachteiligungen aus einem in § 1 AGG genannten Grund, wozu auch die ethnische Herkunft gehört, im Hinblick auf den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum, unzulässig. Hier ging es um den Zugang zur Begründung eines Mietverhältnisses über Wohnraum. Der Kläger hat diesen Wohnraum auch der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.

Der Kläger hat auch objektiv gegen das Benachteiligungsverbot des § 19 Abs. 2 AGG verstoßen. Nach § 19 Abs. 2 AGG ist eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft bei der Begründung, Durchführung und Beendigung sonstiger zivilrechtlicher Schuldverhältnisse i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 5 bis 8 AGG unzulässig.

Eine unmittelbare Benachteiligung i.S.v. § 3 Abs. 1 AGG liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Dabei ist unter dem von § 1 AGG erfassten Beteiligungsgrund der ethnischen Herkunft, die Zugehörigkeit zu Bevölkerungsteilen zu verstehen, die durch gemeinsame geographische Herkunft, Geschichte, Kultur oder Zusammengehörigkeitsgefühl verbunden sind

Das Landgericht ist aufgrund der informatorischen Anhörung der Parteien und der Zeugenvernehmung rechtsfehlerfrei und überzeugend zu der Feststellung gelangt, dass die vorgenannten Voraussetzungen vorliegen. An diese Feststellungen ist der Senat gebunden.

Die Zeugin  hat bekundet, dass der Kläger und seine Lebensgefährtin wegen ihrer ethnischen Herkunft abgelehnt worden seien. In einem Telefonat habe der Beklagte ihr mitgeteilt, seine Ehefrau wolle nicht, dass das Haus an Türken bzw. Personen der Herkunft des Klägers und seiner Lebensgefährtin vermietet werde. Dies habe ihr auch der Zeuge E.-H. bestätigt.

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Motive für eine Ablehnung grundsätzlich nicht zur Überprüfung des Gerichts stehen, weil die Auswahl des Mieters bei Begründung eines privatrechtlichen Mietverhältnisses grundsätzlich im Belieben des Vermieters steht, solange er seiner Entscheidung keine nach § 1 AGG unzulässigen Kriterien zugrunde legt. Allerdings darf im Rahmen der Beweisaufnahme überprüft werden, ob nachvollziehbar ist, dass der Beklagte seine Entscheidung an den von ihm behaupteten Kriterien – ohne diese inhaltlich zu bewerten – ausgerichtet hat. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Der Zeuge E.-H. hat als Begründung für die Ablehnung des Klägers und seiner Lebensgefährtin deren Familiensituation bezeichnet, d. h. dass diese nicht verheiratet und kinderlos gewesen seien. Der Beklagte habe ihm gesagt, dass sich seine Ehefrau ausdrücklich eine Familie mit Kindern als Mieter gewünscht habe.

Es ist nicht nachvollziehbar, dass die von den Zeugen E.-H. und K. genannten Gründe entscheidungsleitend für die Ablehnung des Klägers gewesen sind.

Nach § 21 Abs. 2 S. 1 AGG kann der Benachteiligte den durch die Benachteiligung entstandenen Schaden ersetzt verlangen. Er ist so zu stellen, wie er ohne das diskriminierende Verhalten gestanden hätte. Bei benachteiligender Verweigerung eines Vertragsabschlusses kann auch der Vertrauensschaden nach § 21 Abs. 2 S. 1 AGG zu ersetzen sein, d. h. der Benachteiligte ist so zu stellen, wie er stünde, wenn er nicht auf das Zustandekommen des Vertrages vertraut hätte. Hiervon ist auch der Ersatz fehlgeschlagener Aufwendungen erfasst

Außerdem hat der Kläger gemäß § 21 Abs. 2 S. 3 AGG aus eigenem sowie abgetretenem Recht seiner Lebensgefährtin einen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung i.H.v. jeweils 2.500 EUR, insgesamt also 5.000 EUR. Für die Bemessung der Entschädigung werden die Grundsätze des Geldentschädigungsanspruchs bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts herangezogen. Dabei zu berücksichtigende Gesichtspunkte sind die Genugtuung des Opfers, die Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung und der Präventionsgedanke. Bei unmittelbarer Diskriminierung ist der Anspruch höher anzusetzen als bei mittelbarer Diskriminierung, bei vorsätzlicher höher als bei fahrlässiger oder gar schuldloser.

Schließlich kann der Kläger gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 AGG Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen. Die Kosten der Rechtsverfolgung sind nach allgemeinen Grundsätzen gemäß § 249 BGB ebenfalls als Schaden zu ersetzen.

Praxishinweis

Das OLG Düsseldorf hat nachvollziehbar eine Diskriminierung durch den Vermieter bejaht.

Die meisten Vermieter werden ihre Vermietungsentscheidung nicht von den inkriminierten Kriterien abhängig machen und deshalb in der Sache das Diskriminierungsverbot einhalten. Sie brauchen auch keine besonderen Vorkehrungen zu treffen, um einen diskriminierungsfreien Entscheidungsfindungsprozess auch in einem etwaigen Rechtsstreit darstellen zu können. Auch bei Anwendung der Beweiserleichterung des § 22 AGG muss der Betroffene einen Sachverhalt schildern, der den Rückschluss auf eine Diskriminierung erlaubt; der Vermieter muss dann nachweisen, dass er nicht diskriminiert hat. Ein solcher Sachverhalt kann sich vor allem aus Hinweisen auf eine Diskriminierung in der Werbung für die Wohnung und - wie vorliegend - bei den Gesprächen mit den Mietinteressenten ergeben. Deshalb hat das OLG Köln (Urteil vom 19.01.2010 - 24 U 51/09, NJW 2010, 1676) in der Äußerung gelegentlich eines vereinbarten Termins zur Wohnungsbesichtigung, „Die Wohnung wird nicht an Neger, äh … Schwarzafrikaner und Türken vermietet”, einen Verstoß gegen das AGG angenommen.

Anhaltspunkte für eine Diskriminierung können aber auch aus den Vermietungsergebnissen folgen. Wenn etwa in einer Wohnanlage Schwarzafrikaner immer wieder abgelehnt werden, könnte das ein Anzeichen für eine Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder ethnischen Herkunft sein (Schmidt-Räntsch NZM 2007, 6). Solche Anhaltspunkte werden sich bei einem offen und transparent angelegten Auswahlverfahren nicht ergeben. Es wird dann meist auch kein Grund bestehen, solche Punkte für den Fall eines Rechtsstreits zu dokumentieren oder das Auswahlverfahren gar zu formalisieren. Je nach der Attraktivität des Wohnungsbestands und der Zahl der Interessenten kann es allerdings im Einzelfall gleichwohl angezeigt sein, die Auswahl intern zu dokumentieren.

Redaktion beck-aktuell, 4. April 2018.