BGH: Die Rückführung eines Gesellschafterdarlehens unterliegt grundsätzlich der Insolvenzanfechtung

InsO § 135 I Nr. 2

Hat die Gesellschaft ein Darlehen ihrem Gesellschafter teilweise erstattet, wird die damit verbundene Gläubigerbenachteiligung durch eine nachfolgende Zahlung des Gesellschafters an die Gesellschaft nicht beseitigt, wenn der Gesellschaft in diesem Umfang eine weitere Darlehensforderung gegen den Gesellschafter zusteht (Leitsatz des Gerichts).

BGH, Urteil vom 21.11.2019 - IX ZR 223/18 (OLG München), BeckRS 2019, 32784

Anmerkung von
Rechtsanwalt Stefano Buck, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 02/2020 vom 24.01.2020

Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Insolvenzrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Insolvenzrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de.

Sachverhalt

Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom 5.3.2014 über das Vermögen der A. GmbH & Co. KG (Schuldnerin) am 26.5.2014 eröffneten Insolvenzverfahren.

Die Beklagten sind an der Schuldnerin als Kommanditisten beteiligt. Außerdem sind die Beklagten Alleingesellschafter der A. Verwaltungs GmbH, der Komplementär-GmbH der Schuldnerin, über deren Vermögen ebenfalls ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Beklagten sind schließlich Alleingesellschafter der S. GmbH, welche an der SV GmbH beteiligt ist. Weitere Gesellschafterin der SV GmbH ist die SH GmbH. Die SH GmbH gewährte der S. GmbH am 29.9.2009 ein Darlehen über 20 Mio. EUR. Dank der damit zur Verfügung gestellten Mittel schloss die S. GmbH mit den Beklagten am 20.12.2012 einen Darlehensvertrag über einen Betrag von zunächst 10,6 Mio. EUR, der später auf 16 Mio. EUR erhöht wurde. Aufgrund mündlicher Vereinbarung überließen die Beklagten der Schuldnerin bis Oktober 2012 Darlehensmittel iHv insgesamt 16 Mio. EUR.

Am 14.8.2013 erstattete die Schuldnerin den Beklagten einen Darlehensbetrag von 3,5 Mio. EUR durch eine Direktzahlung an die SH GmbH. Die Beklagten stellten der Schuldnerin mittels einer Zahlung der SH GmbH am 16.12.2013 Darlehensmittel über 4,5 Mio. EUR zur Verfügung.

Der Kläger hat die Darlehensrückführung vom 14.8.2013 gem. § 135 I Nr. 2, § 134 I, § 133 InsO angefochten. Das OLG hat die erstinstanzlich erfolgreiche Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Die vom Senat zugelassene Revision führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Rückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Entscheidung: Die Beseitigung einer Gläubigerbenachteiligung setzt voraus, dass die entsprechende Rückgewähr des Anfechtungsgegners eindeutig zu dem Zweck erfolgt, dem Schuldner den entzogenen Vermögenswert wiederzugeben.

Der BGH stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 135 I Nr. 2 InsO mit Blick auf die am 14.8.2013 zugunsten der Beklagten erfolgten Rückführung des Darlehens iHv 3,5 Mio. EUR grundsätzlich gegeben sei.

Die Schuldnerin habe ausgehend von dem am 5.3.2014 gestellten Insolvenzantrag innerhalb der einjährigen Anfechtungsfrist des § 135 I Nr. 2 InsO den Beklagten am 14.8.2013 den Darlehensbetrag iHv 3,5 Mio. EUR erstattet. Durch den Zahlungsabfluss habe sich eine Gläubigerbenachteiligung verwirklicht (vgl. BGH WM 2017, 1910). Folglich sei der Anfechtungstatbestand des § 135 I Nr. 2 InsO grundsätzlich erfüllt.

Auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellung des Berufungsgerichts könne nicht angenommen werden, dass die am 14.8.2013 infolge der Darlehensrückzahlung eingetretene Gläubigerbenachteiligung iHv 3,5 Mio. EUR ausgeglichen worden sei, indem die Beklagten der Schuldnerin am 16.12.2013 Darlehensmittel über 4,5 Mio. EUR zur Verfügung gestellt haben. Denn die Beseitigung einer Gläubigerbenachteiligung setze voraus, dass die entsprechende Rückgewähr des Anfechtungsgegners eindeutig zu dem Zweck erfolge, dem Schuldner den entzogenen Vermögenswert wiederzugeben und damit die Verkürzung der Haftungsmasse ungeschehen zu machen. Von der Zweckbestimmung her müsse es sich um eine vorweggenommene Befriedigung des individuellen Rückgewähranspruchs handeln. Eine solche Rückführung könne etwa anzunehmen sein, wenn ein abgetretenes Recht an den Schuldner rückabgetreten oder eine erhaltene Zahlung an ihn zurückgewährt werde (vgl. BGH WM 2019, 1087). Dabei genüge es, wenn der Anfechtungsgegner dem Schuldner Vermögenswerte zukommen lasse, welche bestimmungsgemäß die angefochtene Leistung vollständig ausgleiche und dem Gläubigerzugriff offenstehe (vgl. BGH WM 2019, 1087), ohne dass hierdurch andere Ansprüche des Schuldners berührt werden.

Nach diesen Maßstäben sei die durch die Darlehensrückzahlung vom 14.8.2013 iHv 3,5 Mio. EUR eingetretene Gläubigerbenachteiligung nicht behoben worden, indem die Beklagten der Schuldnerin am 16.12.2013 Darlehensmittel von 4,5 Mio. EUR überließen.

Durch die Zahlung der Beklagten von 4,5 Mio. EUR am 16.12.2013 sei nicht ein früherer Darlehensvertrag über 3,5 Mio. EUR wiederhergestellt worden. Nach übereinstimmender Auffassung beider Parteien habe im Dezember 2013 ein Anspruch der Schuldnerin auf Gewährung weiterer Darlehensmittel über 4,5 Mio. EUR gegen die Beklagten bestanden. Die Beseitigung einer Gläubigerbenachteiligung komme nur in Betracht, wenn die fragliche Zahlung allein auf den Anfechtungsanspruch angerechnet werden könne. Diese Annahme verbiete sich, wenn eine sonstige Forderung der Schuldnerin gegen ihren Gesellschafter begründet sei. In dieser Weise verhalte es sich im Streitfall, weil die Schuldnerin die Ausreichung zusätzlicher Darlehensgelder von den Beklagten habe verlangen können.

Praxishinweis

Zwar war zwischen den Parteien unstreitig, dass der Schuldnerin im Dezember 2013 eine Darlehensforderung von 4,5 Mio. EUR gegen die Beklagten zustand. Während der Darlehenshöchstbetrag nach Darstellung des Klägers unbegrenzt oder allenfalls auf 20 Mio. EUR beschränkt war, belief sich nach dem Sachvortrag der Beklagten der Darlehenshöchstbetrag auf 16 Mio. EUR, war aber infolge zwischenzeitlicher Rückzahlungen der Schuldnerin im Dezember 2013 erneut iHv 4,5 EUR eröffnet. Aufgrund des Beklagtenvorbringens könnten die Voraussetzungen eines Kontokorrents (vgl. BGH WM 2013, 708) oder eines Staffelkredits (vgl. BGH a.a.O.) erfüllt sein. In beiden Konstellationen sind Kreditrückführungen nicht in ihrer Summe, sondern nur bis zur eingeräumten Kreditobergrenze anfechtbar (vgl. BGH a.a.O.). Danach würde eine Anfechtung der Rückzahlung der 3,5 Mio. EUR ausscheiden, sofern durch die spätere Zahlung der Beklagten von 4,5 Mio. EUR das Darlehen bis zur vereinbarten Obergrenze von 16 Mio. EUR ausgereicht war. Der durch die Zahlung von 4,5 Mio. EUR getilgte Anspruch bestand dann iHd Teilbetrages von 3,5 Mio. EUR nur deshalb, weil zuvor durch die angefochtene Zahlung ein Anspruch auf weitere Kreditmittel in diesem Umfang begründet wurde. Deswegen bedurfte es ergänzend der Feststellung, ob eine kontokorrentartiges Darlehensverhältnis über einen Höchstbetrag von 16 Mio. EUR vereinbart war. Hierauf wies der BGH in seiner „Segelanweisung" ausdrücklich hin.

Redaktion beck-aktuell, 27. Januar 2020.