BGH: Haftung des Geschäftsführers einer GmbH für die nach Insolvenzreife veranlassten Zahlungen

GmbHG § 64

Der Geschäftsführer einer GmbH ist kraft seiner Organstellung für nach Insolvenzreife geleistete Zahlungen erstattungspflichtig, ohne dass er sich auf eine Haftungsbeschränkung nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs berufen kann. (Leitsatz des Verfassers)

BGH, Beschluss vom 24.09.2019 - II ZR 248/17 (OLG München), BeckRS 2019, 31312

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Michael Lojowsky, Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 01/2020 vom 10.01.2020

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Sachverhalt

Im vorliegenden Fall begehrte der Geschäftsführer der insolventen Schuldnerin die vollständige Abweisung der Klage des Insolvenzverwalters auf Ersatz von Zahlungen, die er nach Insolvenzreife der Schuldnerin geleistet hat. Das LG hatte der Klage überwiegend stattgegeben und das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es dem Geschäftsführer vorbehalten bliebe, seine Gegenansprüche nach Erstattung an die Masse gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen. Der Beklagte verfolgt die Klageabweisung mit der teilweise vom Berufungsgericht zugelassenen Revision und mit der gleichzeitig eingereichten Nichtzulassungsbeschwerde weiter.

Entscheidung: Keine Befreiung von der eigenen Plausibilitätskontrolle durch verschiedene externe Gutachten

Zunächst stellt der Senat fest, dass der Zulassungsgrund zur Revision nach Verkündung des Berufungsurteils im Juni 2017 entfallen sei, da der Senat bereits mit Urteil vom 4.7.2017 (II ZR 319/15 – Beck RS 2017, 120629) entschieden hatte, dass eine Ersatzpflicht des Organs für Zahlungen nach Insolvenzreife entfalle, soweit die durch die Zahlung verursachte Schmälerung der Masse durch eine Gegenleistung ausgeglichen werde, die für eine Verwertung durch die Gläubiger geeignet sei, was bei Arbeits- oder Dienstleistungen eben gerade nicht der Fall sei. Darüber hinaus sei das Berufungsurteil aber auch aus weiteren Gründen rechtsfehlerfrei ergangen. Insbesondere könne der Geschäftsführer einzelne Zahlungen nicht mit Nichtwissen bestreiten, wenn deren Zahlungsgrund nicht benannt worden sei. Eine Partei dürfe sich über eigene Handlungen oder Gegenstände eigener Wahrnehmung nicht mit Nichtwissen erklären, soweit etwaige Erinnerungslücken durch eine Einsicht in die selbst zu verantwortende Buchhaltung beseitigt werden können.

Ferner seien für den Geschäftsführer auch nicht die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs anzuwenden. Zwar werde nach ständiger Rechtsprechung des BGH gem. § 64 S. 2 GmbHG das Verschulden des Geschäftsführers vermutet, wenn er trotz objektiv bestehender Insolvenzreife Zahlungen leiste, ein Rückgriff auf die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs schließe sich aber bereits begrifflich aus, da für das Verschulden gem. § 64 GmbHG die einfache Fahrlässigkeit ausreiche, während der innerbetriebliche Schadensausgleich leichte oder mittlere Fahrlässigkeit für eine zumindest teilweise Haftungsfreistellung erfordere.

Unabhängig davon könne sich ein Geschäftsführer auch nicht mit der Behauptung entlasten, Arbeitnehmer der Schuldnerin und bloß verlängerter, weisungsgebundener Arm des Berats gewesen zu sein. Sofern eine Weisung des Beirats den Verstoß gegen das Zahlungsverbot verlange, habe der Geschäftsführer sein Amt niederzulegen.

Schließlich stellte der BGH noch heraus, welche Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar seien und wegen der Vermeidung noch größerer Nachteile ein Verschulden entfallen lasse. Dafür sei eine konkrete Sanierungs- und Fortführungschance erforderlich. Allein die Feststellung von Umsatzsteigerungen seit Insolvenzreife genügte dazu nicht. Der Geschäftsführer sei verpflichtet, die wirtschaftliche Lage seines Unternehmens laufend zu beobachten und bei Anzeichen einer Krise durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand zu verschaffen. Stelle sich dabei eine rechnerische Überschuldung heraus, dann müsse der prüfen, ob sich für das Unternehmen eine positive Fortführungsprognose vorliege. Beruft er sich dazu auf externen Sachverstand einer fachlich qualifizierten Person, gebiete es die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmannes, das Prüfungsergebnis einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen. Die Beauftragung einer weiteren Prüfung der Fortführungsprognose entlaste den Geschäftsführer nicht von seiner Plausibilitätskontrolle.

Praxishinweis

Erfreulicher Weise hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes diesen Sachverhalt nicht dazu genutzt, seine Rechtsprechung zur haftungsreduzierenden Anrechnung von Gegenleistungen auszudehnen, sondern seine bisherige Rechtsprechung zur Verwertbarkeit der Gegenleistung für die Gläubiger aufrechterhalten. Die Gegenleistung muss nicht nur gleichwertig, sondern für die Gläubiger auch tatsächlich verwertbar sein. Dies ist bei Arbeits- oder Dienstleitungen gerade nicht der Fall. Der Geschäftsführer soll bei Insolvenzreife einen Insolvenzantrag stellen und sich nicht auf ungeprüfte externe Expertisen verlassen dürfen.

Redaktion beck-aktuell, 14. Januar 2020.