BGH: Kaufpreisraten als sonstige Einkünfte im Sinne des § 850i ZPO

InsO § 36 I; ZPO § 850i I 1 Fall 2

Kaufpreisraten stellen sonstige Einkünfte im Sinne der Pfändungsschutzvorschriften dar. (Leitsatz des Gerichts)

BGH, Beschluss vom 26.09.2019 - IX ZB 21/19 (LG Leipzig), BeckRS 2019, 26916

Anmerkung von
Rechtsanwältin Dr. Elske Fehl-Weileder, Fachanwältin für Insolvenzrecht, Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 25/2019 vom 16.12.2019

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Sachverhalt

Der spätere Insolvenzschuldner hat seine Geschäftsanteile an einer GmbH im Jahr 2016 zu einem Kaufpreis von rd. 1,25 Mio. EUR verkauft. Ein Kaufpreisteil von 731.000 EUR sollte ab Juni 2016 in monatlichen Raten à 5.000 EUR gezahlt werden. Diese Ratenzahlungen stellen die einzigen Einkünfte des Schuldners dar, der fünf unterhaltsberechtigte Kinder hat. In dem im Jahr 2018 auf einen Gläubigerantrag über das Vermögen des Schuldners eröffneten Insolvenzverfahren beantragt der Schuldner, ihm gem. § 850i ZPO aus den Raten einen Teil von 2.500 EUR monatlich als unpfändbar zu belassen. Sowohl das Insolvenzgericht als auch das Beschwerdegericht haben den Antrag des Schuldners abgelehnt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner sein Begehren zum BGH weiter.

Entscheidung: Kaufpreisraten fallen unter § 850i ZPO

Das Berufungsgericht hatte die Kaufpreisraten nicht unter den Anwendungsbereich des § 850i ZPO subsumiert, weil diesen keine im gleichen Zeitraum erbrachte Leistung der Schuldners gegenüberstehe und es sich insofern nicht um Einkünfte handele, sondern um Vermögen. Der BGH erteilt dieser Einschätzung eine Absage. Er weist darauf hin, dass es nach der jüngeren Rechtsprechung (BGH IX ZB 19/18) nicht nötig sei, dass eine Dienst- oder sonstige Gegenleistung des Schuldners in einem den Raten entsprechenden Zeitraum erbracht worden sei. Vielmehr seien unter den Pfändungsschutz des § 850i ZPO auch Einkünfte zu stellen, die aus kapitalistischer Tätigkeit resultieren, wie z.B. Vermietung und Verpachtung oder Verkaufserlöse, solange sie selbst erzielt worden seien. § 850i ZPO solle sicherstellen, dass der Schuldner seinen Lebensunterhalt durch eigene wirtschaftliche Bemühungen decken könne. Nicht einschlägig sei die Vorschrift daher nur für nicht selbst erzielte Einkünfte wie Geschenke, Lottogewinne oder Ansprüche aus Erbschaften. Der Verkaufserlös aus den Geschäftsanteilen unterfalle daher dem Pfändungsschutz des § 850i ZPO unabhängig davon, ob der Kaufpreis als Einmalzahlung oder in Raten beglichen werde, und ob die Fälligkeit einzelner Leistungen erst nach Insolvenzeröffnung eintrete. Von der Frage, aus welcher Aktivität der Schuldner den Anspruch erwirtschafte, könne der Pfändungsschutz ebenso wenig abhängen, wie von dem Zeitpunkt der geschuldeten Gegenleistung. Auch die von dem Beschwerdegericht unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des BFH (XI B 56/06) vorgenommene Auslegung nach den Begrifflichkeiten des Einkommensteuergesetztes spiele im Rahmen des Pfändungsschutzes keine Rolle, sodass es auch nicht darauf ankomme, dass sich der Gewinn der Schuldners einkommensteuerrechtlich bereits im Zeitpunkt der Veräußerung realisiert habe.

Praxishinweis

Der BGH erweitert den auch im Insolvenzverfahren zu beachtenden Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte nach § 850i ZPO auch auf ratenweise zu zahlende Kaufpreisforderungen. Dies ist für den Schuldner günstig und verhindert, dass dieser schlimmstenfalls zum Sozialfall wird, weil seine sonstigen Einkünfte komplett von dem Insolvenzverwalter vereinnahmt werden. Die Entscheidung des BGH ist sachgerecht, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass Kaufverträge mit Ratenzahlungen häufig einen Versorgungsgedanken in Bezug auf den Verkäufer beinhalten. Den Interessen der Insolvenzmasse ist dadurch genüge getan, dass der Pfändungsschutz dem Schuldner nur den notwendigen Teil aus den Einkünften zuspricht, sodass – je nach Höhe der vereinbarten Raten – auch Zuflüsse zur Masse erfolgen.

Redaktion beck-aktuell, 16. Dezember 2019.