BAG: Vergütung des außerbetrieblichen Einigungsstellenbeisitzers

BetrVG § 76a III, IV; BGB §§ 315, 316; UStG § 19 I, II

1. Der Anspruch eines außerbetrieblichen und umsatzsteuerpflichtigen Beisitzers einer Einigungsstelle gegenüber dem Arbeitgeber auf Vergütung seiner Tätigkeit nach § 76a III BetrVG schließt einen Anspruch auf Erstattung der auf die Vergütung entfallenden Umsatzsteuer mit ein.

2. Ein außerbetrieblicher Einigungsstellenbeisitzer ist derzeit berechtigt, den Umfang der Vergütung mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren oder durch eine einseitige Erklärung zu bestimmen. Diese Leistungsbestimmung ist nach billigem Ermessen nach §§ 315, 316 BGB unter Beachtung der Bemessungsgrundsätze des § 76a IV S. 3 bis 5 BetrVG vorzunehmen.

BAG, Beschluss vom 18.09.2019 - 7 ABR 15/18 (LAG Niedersachsen), BeckRS 2019, 38417

Anmerkung von
RA Prof. Dr. Jobst-Hubertus Bauer, Gleiss Lutz, Stuttgart

Aus beck-fachdienst Arbeitsrecht 11/2020 vom 19.03.2020

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Sachverhalt

Der Antragsteller geht hauptberuflich einer nicht selbständigen Tätigkeit als Sekretär der IG B nach. Mit daneben ausgeübten selbständigen Tätigkeiten erzielte er Umsätze von unter 17.500 EUR/Jahr. Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin führt ein Bauunternehmen. Der bei ihr gebildete Betriebsrat rief die Einigungsstelle zum Thema GPS-Überwachungsanlagen an. Nach Abschluss des Einigungsstellenverfahrens erstellte der Vorsitzende am 20.11.2015 eine Rechnung, in der es auszugsweise heißt: „Auf die Angelegenheit habe ich insgesamt 32 Stunden verwandt (14 Stunden für die Sitzung und 18 Stunden Vor-/Nachbereitung, Protokolle, Entwurf und Überarbeitung einer Vereinbarung). Bei einem Stundensatz von 250,00 EUR ergibt dies ein Honorar in Höhe von 8.000,00 EUR. Hinzu kommt die 19 %ige Mehrwertsteuer, d.h. 1.520,00 EUR. Der Rechnungsbetrag beläuft sich also auf 9.520,00 EUR.

Am 30.11.2015 stellte der Antragsteller der Arbeitgeberin dann eine Rechnung auf Basis der sog. 7/10-Regelung i.H.v. 6.664,00 EUR inkl. Mehrwertsteuer. Dabei verwies er darauf, auch seine Beisitzertätigkeit habe sich auf 32 Stunden belaufen. Die Arbeitgeberin bezahlte die Rechnung des Vorsitzenden, zunächst aber nicht die des Antragstellers. Streitig ist, ob sich die Parteien am 14.10.2016 dahingehend verglichen haben, dass das Honorar des Antragstellers 6.000 EUR betragen und der Antragsteller im Gegenzug das vorliegende Verfahren für erledigt erklärte. Jedenfalls hat die Arbeitgeberin dann ein Honorar von 6.000 EUR ausbezahlt, worauf insoweit das Verfahren für erledigt erklärt wurde. Der Antragsteller hat daraufhin beantragt, die Arbeitgeberin zu verpflichten, ihm 664 EUR inklusive Mehrwertsteuer zu zahlen. Der Antrag blieb in erster und zweiter Instanz ohne Erfolg.

Entscheidung

Aufgrund der zugelassenen Rechtsbeschwerde hat der 7. Senat die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Sache an das LAG zurückverwiesen. Mit der Begründung des LAG könne der Antrag nicht abgewiesen werden. Ein Unternehmer könne gemäß § 19 II 1 UStG gegenüber dem Finanzamt erklären, dass er auf die Anwendung von § 19 I UStG verzichte. Mache er von dieser Option Gebrauch, unterliege er der Besteuerung nach den übrigen Vorschriften des UStG. Dann bestehe der Rechtszustand, der ohne die Kleinunternehmerregelung des § 19 I UStG bestehen würde. Das LAG habe rechtsfehlerhaft angenommen, der Antragsteller habe einen entsprechenden Verzicht nicht dargelegt. Die Ausübung der Option nach § 19 II UStG könne auch durch schlüssiges Verhalten gegenüber dem Finanzamt erfolgen. Das LAG werde deshalb zu klären haben, ob der Antragsteller der Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG unterlag. Sollte das LAG zu der Auffassung gelangen, dass der Antragsteller umsatzsteuerpflichtig war, so könne der Antrag dennoch der Abweisung unterliegen, wenn der Antragsteller mit der Arbeitgeberin am 14.10.2016 einen Vergleich dahingehend geschlossen haben sollte, dass das Honorar 6.000 EUR inklusive Umsatzsteuer betrage. Im Übrigen habe der Antragsteller bei seiner Leistungsbestimmung das von § 76a IV S. 3 bis 5 BetrVG geforderte Abstandsgebot bzgl. des Honorars des Vorsitzenden und der Beisitzer anhand der sog. 7/10-Regelung beachtet.

Praxishinweis

Interessant sind die steuerrechtlichen Ausführungen zur Behandlung des Antragstellers als Kleinunternehmer. Hier stand der Antragsgegner (= Arbeitgeber) vor einem Dilemma. Er fühlte sich nicht verpflichtet, die Umsatzsteuer zu erstatten, da er von einem unberechtigten Steuerausweis des Beisitzers ausging. Pech gehabt! Hätte hier nicht die Einholung einer verbindlichen Steuerauskunft geholfen?

Nachvollziehbar ist die Auffassung des 7. Senats zum Abstandsgebot. Die 7/10-Regelung macht in der Tat nur Sinn, wenn bei Zeithonoraren darauf verzichtet wird, auf den tatsächlichen Zeitaufwand des Beisitzers abzustellen.

Redaktion beck-aktuell, 20. März 2020.