BAG: Wirksame Urlaubserteilung bei unwiderruflicher Freistellung

BGB §§ 157, 362, 390; BUrlG §§ 1, 5 II, 11 II; RL 2003/88/EG Art. 7 I

Der Urlaubsanspruch nach § 1 BUrlG besteht aus zwei untrennbar verbundenen Teilansprüchen, nämlich dem Anspruch auf Freistellung von der Arbeit und dem Anspruch auf Urlaubsvergütung. Der Arbeitgeber muss für die wirksame Erteilung des Urlaubs den Arbeitnehmer nicht nur von der Arbeit freistellen, sondern ihm zudem die Urlaubsvergütung vor Urlaubsantritt zahlen oder vorbehaltlos zusagen. Dies gilt auch bei der Anrechnung nichtgenommenen Urlaubs auf eine Freistellung in Folge einer Kündigung. Liegen keine gegenteiligen Anhaltspunkte vor, gibt der Arbeitgeber mit der Urlaubserteilung zu verstehen, sich gesetzeskonform verhalten und Urlaubsentgelt zahlen zu wollen.

BAG, Urteil vom 20.08.2019 - 9 AZR 468/18 (LAG Schleswig-Holstein), BeckRS 2019, 26067

Anmerkung von
RAin Dr. Doris-Maria Schuster, Gleiss Lutz, Frankfurt a.M., Hamburg

Aus beck-fachdienst Arbeitsrecht 47/2019 vom 14.11.2019

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Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Abgeltung von Urlaub. Die Klägerin hatte Ende April 2017 ihr Arbeitsverhältnis zum 31.05.2017 ordentlich gekündigt. Nach Eingang des Kündigungsschreibens stellte die beklagte Arbeitgeberin die Klägerin mit Schreiben vom 02.05.2017 "[…] unter Anrechnung Ihrer Überstunden und Urlaubsansprüche“ unwiderruflich frei. Die Klägerin hielt die Urlaubserteilung für unwirksam und verlangte von der Beklagten eine anteilige Urlaubsabgeltung für zehn Arbeitstage. Das ArbG wies die Klage ab, das LAG die Berufung zurück.

Entscheidung

Das BAG schloss sich den Vorinstanzen an und hielt die Revision für unbegründet. Nach dessen Ansicht hatte die Beklagte der Klägerin mit der Mitteilung über ihre Freistellung wirksam Urlaub erteilt. Die Freistellungserklärung war für die Klägerin erkennbar auf die Erfüllung ihres Urlaubsanspruchs gerichtet und enthielt auch beide Komponenten der Erfüllung eines Urlaubsanspruchs. Fraglos war sie durch die Freistellung von der Erbringung der Arbeitsleistung befreit. Zwar zahlte die Beklagte die Urlaubsvergütung nicht vor Beginn des Freistellungszeitraums und damit vor Urlaubsantritt und hatte ihr die Zahlung der Urlaubsabgeltung auch nicht vorbehaltlos zugesagt. Das BAG legte aber die unwiderrufliche Freistellung durch die Beklagte als Absicht zur Urlaubserfüllung und damit zur Zahlung des Urlaubsentgelts aus. In einem bestehenden Arbeitsverhältnis stellt der Arbeitgeber nach Ansicht des BAG mit der Urlaubserteilung seine Pflicht zur Zahlung von Urlaubsgelt streitlos. Dies gilt jedenfalls dann, wenn keine anderweitigen gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen.

Dass die Beklagte in ihrer Freistellung nicht festlegte, welche Tage des Freistellungszeitraums dem Urlaub dienen sollten, war unschädlich. Denn damit hatte sie der Klägerin zulässigerweise die Entscheidung über die Lage des Urlaubs innerhalb des Freistellungszeitraums überlassen.

Praxishinweis

Das BAG hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest und eine Freistellung unter Anrechnung des Resturlaubs zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs für zulässig. Voraussetzung dafür ist eine unwiderrufliche Freistellung. Die datumsgenaue Festlegung des Urlaubs in einer solchen unwiderruflichen Freistellung ist – anders als bei der widerruflichen Freistellung – nicht Voraussetzung für eine wirksame Erfüllung des Urlaubsanspruchs.

Will ein Arbeitgeber allerdings während einer unwiderruflichen Freistellung etwaigen Zwischenverdienst des Arbeitnehmers anrechnen, muss er, jedenfalls bei einer einseitigen Freistellung, den Urlaubszeitraum in der Freistellung zeitgenau festlegen und damit von den Zeiten, in denen der Zwischenverdienst angerechnet werden soll klar trennen (BAG, ArbRAktuell 2013, 447 m. Anm. Gerhardt).

Bei einer einseitigen unwiderruflichen Freistellung unter Anrechnung von Zwischenverdienst muss der Arbeitgeber zudem noch daran denken, auf sein Festhalten am gesetzlichen Wettbewerbsverbot hinzuweisen. Andernfalls legt das BAG die Anrechnung des Zwischenverdienstes als arbeitgeberseitigen Verzicht auf das gesetzliche Wettbewerbsverbot aus (BAG, FD-ArbR 2012, 339925 m. Anm. Diller).

Redaktion beck-aktuell, 28. November 2019.