Zwei Vorstöße zur Neuregelung der Sterbehilfe im Bundestag

Knapp ein Jahr nach einem wegweisenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts kommen aus dem Bundestag zwei Vorstöße für neue gesetzliche Regelungen zur Sterbehilfe in Deutschland. Eine Gruppe aus Abgeordneten von SPD, FDP und Linken hält es für wichtig, den Zugang zu entsprechenden Medikamenten zu ermöglichen, was aber mit Schutzkonzepten zu flankieren sei. Auch aus den Reihen der Grünen gibt es ein Papier.

Neuregelungen noch vor der Bundestagswahl?

"Ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben darf es nicht nur auf dem Papier geben", sagte die FDP-Politikerin Katrin Helling-Plahr. Angestrebt werden eine Debatte ohne Fraktionsvorgaben im Bundestag und Neuregelungen noch vor der Bundestagswahl im Herbst 2021. Nach dem Urteil aus Karlsruhe sei die Sterbehilfe derzeit straffrei, aber auch überhaupt nicht geregelt, sagte der SPD-Politiker Karl Lauterbach für die fraktionsübergreifende Gruppe. Die Richter hatten Anfang 2020 ein seit 2015 bestehendes Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt, da es das Recht des Einzelnen auf selbstbestimmtes Sterben verletze (NJW 2020, 905). Dabei hat "geschäftsmäßig" nichts mit Geld zu tun, sondern bedeutet "auf Wiederholung angelegt". Das Urteil stößt eine Tür für organisierte Angebote auf – aber mit Regulierungsmöglichkeiten wie Beratungspflichten oder Wartefristen.

Recht auf Hilfe zur Selbsttötung

Mit dem Vorstoß will die Abgeordnetengruppe diesen Rechtsrahmen nun ausfüllen. "Im Zentrum steht der freie Wille des Einzelnen", sagte Helling-Plahr. Der Gesetzentwurf sieht dafür ein "Recht auf Hilfe zur Selbsttötung" vor: "Jeder, der aus autonom gebildetem, freiem Willen sein Leben beenden möchte, hat das Recht, hierbei Hilfe in Anspruch zu nehmen." Entsprechend soll auch ein "Recht zur Hilfeleistung" festgelegt werden, ausdrücklich aber keine Verpflichtung dazu. Für den Willen zum Suizid werden Bedingungen formuliert – etwa dass er "ohne unzulässige Einflussnahmen oder Druck" gebildet wurde und "von einer gewissen Dauerhaftigkeit und inneren Festigkeit getragen" ist.

Staatlich organisierte Beratungsstellen angedacht

Lauterbach betonte, dazu gehörten als ein "Sicherheitsnetz" staatlich organisierte Beratungsstellen, damit Suizidhilfe etwa nicht für psychisch Kranke in Frage komme. Aus seiner Sicht sollten auch Minderjährige ausgeschlossen sein. Die Linke-Abgeordnete Petra Sitte sagte, es gehe um ein öffentlich finanziertes Beratungsangebot, man solle dafür nicht Mitglied eines Sterbehilfevereins werden müssen. Die Gruppe will um Unterstützung bei weiteren Abgeordneten werben und strebt eine offene Debatte im Plenum an. Lauterbach sagte, es gehe bei dem Thema um eine freie Gewissensentscheidung jedes Abgeordneten.

Klare Kriterien aufstellen

Die Grünen-Abgeordneten Künast und Keul legten einen Entwurf für ein "Gesetz zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben" vor. Es gehe darum, Betroffenen endlich mit klaren Kriterien einen Zugang zu bestimmten Betäubungsmitteln zu schaffen, sagte Künast. "Wir unterscheiden im Verfahren zwischen denen, die an einer schweren Erkrankung leiden, und dem Suizidwunsch aus anderen Gründen." Keul sagte, vor der Abgabe tödlicher Mittel sei eine verpflichtende Beratung angemessen und verhältnismäßig, um die Selbstbestimmtheit und Dauerhaftigkeit des Sterbewunsches abzusichern.

Stiftung Patientenschutz: Autonomie der Willensbildung schwer feststellbar

Die Stiftung Patientenschutz mahnte, selbst staatlich legitimierte Beratungsstellen könnten nicht feststellen, ob ein freier Wille autonom gebildet worden sei. "Dafür taugen weder Checklisten noch Fristen oder unbestimmte Rechtsbegriffe", sagte Vorstand Eugen Brysch der dpa. "Allein der Betroffene selbst hat die Chance, zwischen einer autonomen und nicht autonomen Willensbildung zu unterscheiden. Deshalb kann es durch staatliche Beratung kein Suizid-Siegel geben."

Redaktion beck-aktuell, 1. Februar 2021 (dpa).