Zwangsruhestand für sieben weitere oberste Richter in Polen

Trotz drohender EU-Sanktionen treibt Polens Regierung die umstrittene Neubesetzung der Justiz voran. Sie hat im Streit um das Oberste Gericht sieben weitere Juristen in den vorzeitigen Zwangsruhestand geschickt. Präsident Andrzej Duda gab ihren Anträgen auf Amtsverlängerung nicht statt. Von insgesamt zwölf obersten Richtern, die bei Duda eine Dienstverlängerung beantragt hatten, erhielten nach Angaben der Präsidentenkanzlei nur fünf grünes Licht. Sie dürfen demnach drei weitere Jahre urteilen. Die übrigen Juristen hätten keine Antwort erhalten und würden nach Auslaufen einer Frist automatisch in Pension gehen, sagte Pawel Mucha, Minister in Dudas Kanzlei am 11.09.2018 der polnischen Nachrichtenagentur PAP. Eine Begründung für die Entscheidung gab es zunächst nicht.

Ruhestandsalter herabgesetzt

Nach einem umstrittenen Gesetz der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) müssen oberste Richter seit Juli mit 65 statt bisher mit 70 Jahren in den Ruhestand. Wer länger im Dienst bleiben will, muss dies beim Präsidenten beantragen. Kritikern zufolge will die Regierung damit missliebige Richter loswerden.

Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen läuft

Auch die EU-Kommission hatte eine staatliche Einflussnahme auf das Justizwesen kritisiert. Zudem mahnte Brüssel Verstöße gegen EU-Recht an und leitete ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen ein. Die EU-Kommission beanstandet seit mehr als zwei Jahren den Umbau der polnischen Justiz und leitete 2017 erstmals überhaupt ein Sanktionsverfahren wegen möglicher Gefährdung von EU-Grundwerten gegen Polen ein.

Über ein Drittel der Stellen am Obersten Gericht soll neu besetzt werden

Bisher ohne Erfolg: Die PiS sieht sich im Recht und gibt an, die Justiz mithilfe der Gesetze von korrupten Richtern befreien zu wollen. Am Obersten Gericht wollen die Nationalkonservativen 44 der knapp 120 Stellen neu besetzen. Die Stellen werden durch die vorzeitigen Pensionierungen sowie durch eine Erhöhung der Richterzahl an dem Gericht geschaffen.

14 Juristen mussten bereits im Juli 2018 gehen

14 Juristen mussten laut Oberstem Gericht bereits im Juli 2018 in den Ruhestand gehen. Sie hatten Duda nicht um Amtsverlängerung gebeten – einige von ihnen, darunter die Gerichtspräsidentin Malgorzata Gersdorf, taten dies aus Protest. Die 65-jährige Juristin sieht ihre Amtszeit als Vorsitzende verfassungsrechtlich geschützt und erkennt ihre Pensionierung nicht an. Gersdorf, die im Juli 2018 in einen vorerst unbefristeten Urlaub ging, sieht sich nach wie vor offiziell im Amt. Laut Präsidentenkanzlei ist die Richterin pensioniert.

Warschaus Oberstes Gericht rief EuGH an

Im Streit mit der polnischen Regierung hatte sich Warschaus Oberstes Gericht sogar an den Europäischen Gerichtshof gewandt und diesen gebeten, die Vereinbarkeit der Gesetze mit EU-Standards zu überprüfen. Das Warschauer Gericht setzte sich auch gegen die neuen Pensionierungen, die nach Angaben von Dudas Kanzlei automatisch erfolgten, zur Wehr. Gerichtssprecher Michal Laskowski sagte, solange dem Gericht kein Ablehnungsschreiben Dudas vorliege, sei der Entscheidungsprozess aus Sicht des Tribunals nicht abgeschlossen.

Redaktion beck-aktuell, 12. September 2018 (dpa).

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