Zwangs­pro­sti­tu­ti­on statt gro­ßer Liebe: BGH be­stä­tigt Ur­teil gegen zwei Män­ner weit­ge­hend

Sie ver­lieb­ten sich in einen "Lo­ver­boy", schenk­ten ihm Ver­trau­en, ver­schul­de­ten sich und muss­ten schlie­ß­lich im Bor­dell an­schaf­fen: Vier Frau­en wur­den von zwei Män­nern aus Köln in einem per­fi­den Sys­tem von Ab­hän­gig­keit, Aus­beu­tung und Miss­hand­lun­gen zur Pro­sti­tu­ti­on ge­zwun­gen. Dafür sit­zen ein 33-Jäh­ri­ger und sein fünf Jahre jün­ge­rer Kom­pli­ze für zehn und acht Jahre hin­ter Git­tern. Zu Recht, ent­schied am 08.02.2018 in Karls­ru­he der Bun­des­ge­richts­hof (Az.: 3 StR 274/17). Gleich­wohl muss das Land­ge­richt Düs­sel­dorf noch ein­mal ran.

Ge­richt: LG hätte Si­che­rungs­ver­wah­rung prü­fen müs­sen

Denn das LG, das die bei­den im No­vem­ber 2016 unter an­de­rem wegen schwe­ren Men­schen­han­dels und Zu­häl­te­rei ver­ur­teilt hatte, muss in einem Punkt nach­bes­sern: Die höchs­ten deut­schen Straf­rich­ter hoben das Ur­teil teil­wei­se auf und ver­wie­sen den Fall zu­rück, weil das LG keine Si­che­rungs­ver­wah­rung für die An­ge­klag­ten ge­prüft hatte.

Frau­en in Pro­sti­tu­ti­on ge­trie­ben

Die Frau­en muss­ten nach Fest­stel­lung des LG in Bor­del­len im Rhein­land, in Hes­sen, Ham­burg und Stutt­gart an­schaf­fen – teils bis zu 18 Stun­den am Tag. Die Män­ner kas­sier­ten die Ein­nah­men. Bis ihnen Fahn­der nach gut drei Jah­ren auf die Schli­che kamen und sie im Ok­to­ber 2015 in Köln und Stutt­gart fest­nah­men. Nach Über­zeu­gung des Ge­richts hat­ten sie die Frau­en mit Druck, bru­ta­ler Ge­walt und einem "hin­ter­lis­ti­gen Schau­spiel" mit pseu­do-re­li­giö­sen Ri­tua­len in die Pro­sti­tu­ti­on ge­trie­ben und dann se­xu­ell aus­ge­beu­tet.

Wo­chen­lan­ger Druck mit Schlaf­ent­zug und Iso­la­ti­on

Die Rol­len waren ver­teilt, die Täter gin­gen immer nach dem­sel­ben Mus­ter vor: Der 28-jäh­ri­ge Deut­sche gau­kel­te den Op­fern die große Liebe vor, iso­lier­te sie so­zi­al und mach­te sie von ihm ab­hän­gig. Dann kam der 33-Jäh­ri­ge – ein in Deutsch­land auf­ge­wach­se­ner Al­ge­ri­er – ins Spiel. Er in­sze­nier­te sich als ge­heim­nis­vol­ler, nicht un­ge­fähr­li­cher "Ge­sand­ter" und "Hei­li­ger" mit über­sinn­li­chen Kräf­ten. Zu­sam­men mach­ten sie die Frau­en ge­fü­gig, sorg­ten dafür, dass sie sich teils hoch ver­schul­de­ten und nach wo­chen­lan­gem Druck – mit Schlaf­ent­zug und Iso­la­ti­on – sowie Ge­walt ihre Kör­per ver­kauf­ten.

Stu­den­tin ließ sich Tat­too ste­chen

Das Duo brach­te eine Stu­den­tin sogar dazu, sich "DH2" ("Die hei­li­gen Zwei") auf den Hals tä­to­wie­ren zu las­sen und den 33-Jäh­ri­gen als "Hei­li­gen" zu be­grü­ßen und zu ver­ab­schie­den: "Ge­sand­ter, darf ich Dir meine Hin­ga­be er­wei­sen. Ge­sand­ter, mein Kör­per ist Dir. Danke, was Du aus mir ge­macht hast. Ich liebe Dich."

"Guru" lebte mit Frau und Kind in lu­xu­ri­ös aus­ge­stat­te­tem Rei­hen­haus

Der Jün­ge­re, der selbst in einem Ab­hän­gig­keits­ver­hält­nis zum Äl­te­ren ge­stan­den haben soll, brach­te die Frau­en von Bor­dell zu Bor­dell und kas­sier­te die Ein­nah­men. Der mehr­fach vor­be­straf­te "Guru" lebte mit Frau und Kind in einem lu­xu­ri­ös aus­ge­stat­te­ten Rei­hen­haus und führ­te nach außen hin ein nor­ma­les Leben. Drei der Frau­en lei­den noch heute unter den psy­chi­schen Fol­gen. Und, so der BGH: "Sie sind fi­nan­zi­ell rui­niert."

Bun­des­an­walt­schaft: Ge­fahr für die All­ge­mein­heit

Gegen das LG-Ur­teil hat­ten beide Sei­ten Re­vi­si­on ein­ge­legt. Wäh­rend die Ver­tei­di­ger auf ein mil­de­res Ur­teil hoff­ten, rügte die Bun­des­an­walt­schaft, dass das Ge­richt keine Si­che­rungs­ver­wah­rung in Be­tracht ge­zo­gen hat. Dem Haupt­an­ge­klag­ten, der schon als sehr jun­ger Mensch wie­der­holt mit Straf­ta­ten auf­fiel, be­schei­nig­te sie: "Er ist für die All­ge­mein­heit ge­fähr­lich." Selbst wenn dies für den Jün­ge­ren nicht in glei­chem Maße gelte, müsse auch für ihn Si­che­rungs­ver­wah­rung ge­prüft wer­den. Sein Ver­tei­di­ger be­ton­te hin­ge­gen: Sein Man­dant sei "nicht von einem kri­mi­nel­len Le­bens­ent­wurf ge­prägt". Das Ganze habe sich unter dem Ein­fluss des Äl­te­ren aus einer "ganz spe­zi­el­len Si­tua­ti­on" her­aus ent­wi­ckelt.

BGH, Entscheidung vom 08.02.2018 - 3 StR 274/17

Redaktion beck-aktuell, Susanne Kupke, 9. Februar 2018 (dpa).

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