Nachbar will Gebäude an gemeinsamer Grenze errichten
Die Parteien sind Eigentümer von aneinandergrenzenden Reihenhäusern in Mecklenburg-Vorpommern. Der Kläger wollte ein weiteres Gebäude an der Grundstücksgrenze errichten und stellte einen entsprechenden Bauantrag. Das Bauamt verlangte einen amtlichen Lageplan, der noch nicht existierte. Um diesen erstellen zu lassen, beauftragte er einen öffentlich bestellten Vermessungsingenieur, der im Rahmen dieser Aufgabe auch das Haus des Nachbarn betreten musste. Da dieser dem Ingenieur den Zutritt verwehrte, beschritt der Bauwillige den Rechtsweg: Das Landgericht Rostock gab der Klage statt, das Oberlandesgericht Rostock wies sie ab. Der Bundesgerichtshof schließlich verurteilte den Nachbarn zur Duldung der Vermessung.
Kein Streit um Grenzzeichen
Der Bundesgerichtshof gab dem OLG insoweit Recht, als es im vorliegenden Fall nicht um die Wiederherstellung von Grenzzeichen gehe, was eine Mitwirkungspflicht des Nachbarn aus § 919 Abs. 1 BGB nach sich ziehen würde. Vielmehr sei hier der Grenzverlauf noch unklar. Auch § 920 BGB sei nicht einschlägig: Mal abgesehen davon, dass diese Regelung keinen Duldungsanspruch verleihe, komme sie auch nur dann zum Tragen, wenn die Grenze nicht ermittelbar sei (Grenzverwirrung). Hier ist den Karlsruher Richtern zufolge der Grenzverlauf nur unklar – aber mithilfe einer Vermessung feststellbar.
Anspruch aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis
Der V. Zivilsenat hält jedoch – anders als das Berufungsgericht – einen Duldungsanspruch des Bauherrn aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis (§ 242 BGB) für gegeben. Der Anspruch sei hier zum bei billigem Ausgleich der widerstreitenden Interessen geboten. Die bloße Duldung der Vermessung liege im beiderseitigen Interesse. Erst durch eine Grenzfeststellung gewönnen beide Seiten Klarheit über die Eigentumsverhältnisse und die daraus erwachsenden Befugnisse. Außerdem könne der Kläger ohne die Vermessung nicht bauen und sei damit eines wesentlichen Rechts aus dem Eigentum beraubt, so der BGH. Der Nachbar hingegen müsse tatsächlich nur einen kurzen Zugang in seine Räumlichkeiten gewähren, der auch vorher vereinbart werden könne.
Einwilligungserfordernis in Vermessungsgesetz steht nicht entgegen
Das Oberlandesgericht hatte diesen Anspruch verneint, weil nach § 25 Abs. 1 Satz 3 Gesetz über das amtliche Geoinformations- und Vermessungswesen des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Geoinformations- und Vermessungsgesetz – GeoVermG M-V) der Eigentümer den Zutritt von Vermessungspersonen in seine Wohnung ausdrücklich erlauben muss. Die Karlsruher Richter halten die Heranziehung dieser Norm aber für falsch, weil sie das Verhältnis von Bürger und Staat zur Durchführung einer staatlichen Aufgabe regle. Hier gehe es hingegen um ein privatrechtliches Verhältnis unter Nachbarn. Ob ein privatrechtlicher Anspruch auf eine derartige Einwilligung des Nachbarn bestehen könne, sei gerade die Frage des Rechtsstreits. Der BGH hob das Urteil auf und entschied selbst.