Thesling leitet derzeit die Zentralabteilung im Justizministerium von Nordrhein-Westfalen. Zuvor war er zwei Jahre lang Präsident des FG Düsseldorf und elf Jahre in der dortigen Landtagsverwaltung tätig. Morsch ist seit drei Jahren Präsidentin des FG Saarlands, vorher war die Sozialdemokratin Staatssekretärin im Justizministerium des Bundeslands. Was Kritiker am BFH, aber auch an anderen Bundesgerichten umtreibt: Beiden fehlt jegliche Erfahrung als Rechtsmittelrichter. Diese bislang für solche Positionen geltende Voraussetzung hat Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) während des laufenden Besetzungsverfahrens für die freiwerdenden Chefposten in München abschaffen lassen.
Matthias Loose, Vorstandsmitglied im Verein der Richterinnen und Richter am BFH (einer Gruppierung im DRB), hat die Bedenken in einem Schreiben an die Mitglieder des Wahlgremiums vor deren gestriger Sitzung zum Ausdruck gebracht. Über die Beförderung an die Gerichtsspitze entscheidet hingegen erst demnächst die Bundesregierung. „Beide haben eine sehr stark politisch geprägte Karriere vorzuweisen“, sagte Loose der NJW auf Anfrage. Auch die Präsidenten der anderen obersten Bundesgerichte hielten eine vorherige mehrjährige Tätigkeit in einer Rechtsmittelinstanz für unverzichtbar: „Das können wir nicht akzeptieren.“ Die Unabhängigkeit und Qualität der Rechtsprechung würden gefährdet.
Bei Morsch wiegen die Bedenken schwerer: Während ein Gerichtspräsident vor allem mit der Repräsentation nach außen und der Leitung der internen Verwaltung beschäftigt sei, sei dessen Vertreter fast ausschließlich mit der Leitung eines Fachsenats befasst. Der Präsidialrat des Gerichts hat sie dem Vernehmen nach zwar nach einem Treffen als geeignet „in persönlicher und fachlicher Hinsicht“ eingestuft, allerdings mit Blick auf eine Ernennung zur Richterin. Wie die Bewertung für eine Vorsitzendenrolle ausgefallen ist, ist nicht belastbar zu erfahren.
In der CDU soll es außerdem Bedenken gegen Morsch geben, weil ein Untersuchungsausschuss des Landtags im Zuge eines Missbrauchsskandals an der Homburger Uniklink nachgeht: Sie soll als Justizstaatssekretärin Wissen für sich behalten haben, statt auf eine umgehende Information der Betroffenen zu dringen. Das BMJV hat erklärt, noch sei keine Entscheidung gefallen. Jedenfalls gibt es nach Informationen der NJW bereits Initiativbewerbungen für die beiden Stellen – und damit drohen Konkurrentenklagen sowie die erheblichen Verzögerungen, die damit üblicherweise verbunden sind.