Wissenschaftlicher Beirat: Bedingungsloses Grundeinkommen nicht machbar

Aus Sicht des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium ist ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) nicht machbar. Finanzierungsprobleme sprächen eindeutig gegen die Einführung eines BGE, heißt es in einem Gutachten dazu, das der Beirat jetzt vorgelegt hat.

Finanzierungsbedarf von knapp 900 Milliarden Euro jährlich

Wie der Beirat schreibt, müsste bei einer Absicherung aller Bürger zumindest im Umfang des heute gesellschaftlich akzeptierten soziokulturellen Existenzminimums das BGE für Erwachsene monatlich 1.208 Euro und für Kinder 684 Euro monatlich betragen. Selbst wenn man die anderen Sozialleistungen gegenrechne, entstehe mit der Einführung des BGE ein Finanzierungsbedarf von knapp 900 Milliarden Euro jährlich. Deutlich über 70% des verfügbaren Haushaltseinkommens würden somit über den Staat umverteilt.

Bereits partielles BGE wäre mit starken Steuererhöhungen verbunden

Bereits die Einführung eines partiellen BGE in Höhe von 446 Euro für Erwachsene und 378 Euro für Kinder – dies entspreche den derzeit geltenden Regelsätzen in der Grundsicherung – würde zur Abschaffung des steuerlichen Grundfreibetrags zu einer Erhöhung der Einkommensteuer um 12% führen. Und selbst wenn man mit den BGE-Befürwortern keine nennenswerten negativen Beschäftigungseffekte annehme, wären deutliche Steuererhöhungen unerlässlich. Ein umfassenderes und existenzsicherndes BGE sei schon bei sehr geringen negativen Beschäftigungseffekten überhaupt nicht mehr aufkommensneutral zu finanzieren.

Existenzsicherndes BGE in offener Gesellschaft nicht umsetzbar

Der Verzicht, Sozialleistungen von einer durch staatliche Institutionen zu überprüfenden Bedürftigkeit abhängig zu machen, führe zudem dazu, dass die Kontrolle derjenigen, die mit ihren Arbeitseinkommen das BGE finanzierten, massiv ausgedehnt werden müsse. Höhere Steuern ließen eine Auswanderung vieler Leistungsträger erwarten und erschwerten damit die Finanzierbarkeit eines BGE zusätzlich. In einer offenen Gesellschaft sei ein individuelles, bedingungsloses und in seiner Höhe existenzsicherndes BGE daher nicht umsetzbar.

Aufgabe von Subsidiaritäts- und Solidarprinzip

Aus normativer Sicht weist der Beirat darauf hin, dass dieses Gesellschaftsmodell mit einem umfassenden Versorgungsanspruch im Widerspruch zum Subsidiaritätsprinzip stehe, das die Einzelverantwortung des Menschen in den Mittelpunkt stelle. Dadurch würden die Grundlagen des Sozialsystems erschüttert. Ferner werde das dem bestehenden Sozialstaat innewohnende Solidarprinzip einseitig zugunsten eines unbedingten Anspruchs des Einzelnen gegenüber der Gesellschaft aufgegeben. Die Stärkung der gesellschaftlichen Solidarität durch ein BGE sei damit mehr als fraglich.

Redaktion beck-aktuell, 15. September 2021.