Wirtschaftskanzleien gründen Bundesverband
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Letzte Woche haben 31 Wirtschaftskanzleien einen eigenen Bundesverband gegründet, der künftig die Interessen seiner Mitglieder vertreten soll - und zwar unabhängig vom Deutschen Anwaltverein (DAV). Dieser hatte bis zuletzt versucht, den Zusammenschluss zu vermeiden. Der neue "Bundesverband der Wirtschaftskanzleien in Deutschland" (BWD) versteht sich selbst als "Ansprechpartner für den Rechtsmarkt und die Bundes- und Landesgesetzgeber sowie die Rechtspolitik insgesamt."

Neuer Bundesverband...

Die Gründungsmitglieder des BWD, zu denen insbesondere Baker Tilly, Luther, Osborn Clarke CMS, ADVANT Beiten und Taylor Wessing gehören, und zu denen sich als 32. Kanzlei am Wochenende Friedrich Graf von Westphalen gesellte, beschäftigen nach eigenen Angaben über 17.000 Mitarbeitende, darunter fast 5.000 Anwältinnen und Anwälte. Zusammen erzielen sie Umsatzerlöse von über 2 Milliarden Euro pro Jahr. Der Kreis der BWD-Mitglieder soll in nächster Zeit durch den Beitritt namhafter Kanzleien weiter wachsen. Den Vorstand des BWD haben mit anderen die Rechtsanwälte Stefan Rizor (Osborne Clarke) und Thomas Wegerich (Deutscher AnwaltSpiegel). Mit dabei ist auch Ines Zenke, Partnerin von Becker Büttner Held, die amtierende Präsidentin des SPD-Wirtschaftsforums. Wie der Bundesverband auf seiner Internetseite erklärt, wird er von einem "Advisory Board" aus führenden Unternehmensjuristinnen und Unternehmensjuristen unterstützt. So soll sichergestellt werden, dass der BWD immer auch den Blickwinkel der Mandantschaft berücksichtigt. Ein "Scientific Board" soll zudem dazu beitragen, dass in der Verbandsarbeit die nationale und internationale akademische Perspektive auf Entwicklungen in Deutschland und in anderen Rechtsmärkten einbezogen wird.

…neue Herangehensweise

Über die Beweggründe des BWD, neben der Bundesrechtsanwaltskammer, dem DAV sowie dem Bundesverband der Unternehmensjuristen eine weitere Dachorganisation für Juristinnen und Juristen ins Leben zu rufen, wird viel gemutmaßt. Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet, hat das Segment der Wirtschaftsanwältinnen und Wirtschaftsanwälte in der Vergangenheit mehrfach für eine Modernisierung des Berufsbilds geworben. So ermögliche der DAV beispielsweise bisher nur Einzelmitgliedschaften, nicht aber den Beitritt von Gesamtkanzleien. Dies ist ein zentraler Unterschied zum BWD, in dem die Kanzleien im Fokus stehen und dem Verband als vollständige Einheiten angehören. Der BWD sieht sich ausdrücklich nicht als "Lobbyorganisation für seine Mitglieder", sondern als "Partner für alle im Rechtsmarkt, die an der Weiterentwicklung von Themen an der Schnittstelle zwischen Wirtschaftskanzleien und deren Mandanten interessiert sind." Man habe eine Reihe von kurz- und längerfristigen Projekten und Themen definiert, die in sogenannten "Task Forces" und im gemeinsamen Austausch zwischen den Mitgliedskanzleien bearbeitet werden sollen. Die dabei erzielten Ergebnisse, Positionen und Stellungnahmen sowie weitere aktuelle Entwicklungen im deutschen und in den internationalen Rechtsmärkten will der Verband in dem Onlinemagazin "fourword" veröffentlichen, das im Mai erstmals erscheinen wird.

Verband freut sich über erfolgreiche Gründungsphase

Thomas Wegerich, Vorstand im BWD, freute sich über eine sehr erfolgreich verlaufene Gründung. Der Verband habe bereits vor der Gründung die erste Task Force zum Thema Cyber Security gestartet. Experten zu diesem Thema aus fast allen Mitgliedskanzleien hätten sich bereits in geschlossener Runde ausgetauscht. Weitere Task Forces bildeten sich gerade. In diesen werde ein Schwerpunkt der inhaltlichen Verbands-Arbeit liegen, so Wegerich. Auch die nächsten Veranstaltungen seien bereits geplant. Am 14.06.2022 finde in der Frankfurt School of Finance die zukünftig jährlich stattfindende Veranstaltung "AnwaltSpiegel meets BWD" erstmals statt. Hier werde das gesamte Netzwerk der AnwaltSpiegel-Gruppe - darunter etwa 300 Unternehmensjuristen - mit den BWD-Mitgliedskanzleien im Rahmen einer "hochkarätigen Fachveranstaltung" zusammengebracht. "Der Start des BWD ist also rundum gelungen, das Tempo halten wir gemeinsam mit unseren Mitgliedskanzleien weiter hoch", so Wegerich weiter. Abschließend freute er sich, dass das Bundesjustizministerium bereits Interesse an einer Zusammenarbeit signalisiert habe.

DAV konnte Neugründung nicht verhindern

Mut­ma­ß­lich als Re­ak­ti­on auf die Pläne für diesen un­ab­hän­gi­gen Ver­band hatte der DAV noch Ende Februar ein "FORUM für Wirt­schafts­kanz­lei­en" ins Leben gerufen, das Mitte April starten und den Kanz­lei­en mit ihren spe­zi­fi­schen In­ter­es­sen Gehör ver­schaf­fen sollte. Der DAV hatte in diesem Zusammenhang betont, sich als Interes­sen­ver­treter der gesamten Anwalt­schaft zu verstehen. Man habe ein großes Interesse an den Themen, die die Wirtschafts­kanzleien betreffen und die sie für wichtig erachten, so der DAV-VorstandDie Themen berührten die gesamte Anwalt­schaft. Offenbar ging dieses Engagement den Gründungsmitgliedern des BWD jedoch nicht weit genug. Ob und wie die beiden Verbände künftig neben- bzw. miteinander agieren werden, bleibt abzuwarten. Eine offizielle Stellungnahme des DAV liegt noch nicht vor. Gegenüber "LTO" soll der Verband jedoch sein Bedauern über den Vorstoß des BWD zum Ausdruck gebracht haben: "Mehrere parallele Verbände schwächen eher die Stimme der Anwaltschaft insgesamt, als die der Wirtschaftskanzleien zu stärken. Insofern hätten wir eine Bündelung der Bedürfnisse und Interessen unter dem Dach des DAV bevorzugt." Eine Zersplitterung in Einzelinteressen helfe niemandem. Angesichts der unterschiedlichen Herangehensweisen bleibt jedoch möglicherweise genügend Spielraum für ein Nebeneinander der beiden Verbände.

Miriam Montag, Redaktion beck-aktuell, 4. April 2022.

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