Wirecard stellt Antrag auf Insolvenzverfahren

Der in einen Bilanzskandal verstrickte Zahlungsdienstleister Wirecard hat am 25.06.2020 Insolvenz angemeldet. "Der Vorstand der Wirecard AG hat heute entschieden, für die Wirecard AG beim zuständigen Amtsgericht München einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung zu stellen", teilte das Unternehmen mit. "Es wird geprüft, ob auch Insolvenzanträge für Tochtergesellschaften der Wirecard-Gruppe gestellt werden müssen."

Antrag eingereicht

Das Amtsgericht München bestätigte, dass die Wirecard AG, Aschheim, am 25.06.2020 um 17:05 Uhr einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingereicht hat (Az.: 1542 IN 1308/20). Zur Vorbereitung der nun unverzüglich zu treffenden erforderlichen insolvenzgerichtlichen Maßnahmen habe der zuständige Richter am Insolvenzgericht des Amtsgerichts München Michael Jaffé als Sachverständigen zur Erstellung eines entsprechenden eiligen Gutachtens bestellt.

Luftbuchungen sehr wahrscheinlich

Wirecard hatte in den vergangenen Tagen bereits mitgeteilt, dass 1,9 Milliarden Euro, die das Unternehmen auf Treuhänderkonten verbucht hatte, "mit überwiegender Wahrscheinlichkeit" nicht existieren. Deswegen prüft der Konzern die nachträgliche Korrektur seiner Bilanzen: "Mögliche Auswirkungen auf die Jahresabschlüsse vorangegangener Geschäftsjahre können nicht ausgeschlossen werden", hieß es.

Wirecard-Aktie im freien Fall

An der Frankfurter Börse stürzte die Wirecard-Aktie nach der Ankündigung des Insolvenzantrags um weitere 80% auf 2,50 Euro ab. Seit der abermaligen Verschiebung der Bilanz für 2019 in der Vorwoche und dem Eingeständnis mutmaßlicher Luftbuchungen in Milliardenhöhe verlor sie damit inzwischen fast 98%.

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Wirecard

Wirecard ist auch im Fokus der Strafverfolgungsbehörden. "Wir prüfen alle in Betracht kommenden Straftaten", hatte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft München I am 22.06.2020 gesagt. Bei der Behörde läuft bereits ein Ermittlungsverfahren gegen den Ende voriger Woche zurückgetretenen ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Markus Braun und drei weitere Manager der Wirecard-Spitze wegen des Verdachts der Falschinformation von Anlegern in zwei Börsen-Pflichtmitteilungen.

Auf Scheingeschäften beruhende Umsätze

Im Zentrum des Bilanzskandals stehen der ehemalige Wirecard-Finanzchef in Südostasien und ein Treuhänder, der bis Ende 2019 für Wirecard aktiv war und das – wie sich nun herausgestellt hat – in großen Teilen wahrscheinlich gar nicht existente Geschäft mit den Drittpartnern betreute. Über mögliche Bilanzmanipulationen bei Wirecard hatte schon vor über einem Jahr die britische "Financial Times" berichtet. Im Oktober 2019 hatte die Zeitung dann berichtet, dass ein beträchtlicher Teil der Wirecard-Umsätze mit Drittfirmen in Asien womöglich auf Scheingeschäften beruhe.

Vorstandschef trat Kritik monatelang entgegen

Vorstandschef Markus Braun hatte die Berichterstattung über Monate als haltlos zurückgewiesen. Da es schon nach den ersten Artikeln zu außergewöhnlichen Kursstürzen der Wirecard-Aktie an der Frankfurter Börse gekommen war, hatten die Finanzaufsicht Bafin und die Münchner Staatsanwaltschaft Untersuchungen zu der Frage eingeleitet, ob Kursmanipulationen von Börsenspekulanten dahinter steckten.

Redaktion beck-aktuell, 25. Juni 2020 (dpa).