Widerruf von Autokreditverträgen als Ausweg für Diesel-Besitzer? – OLG Stuttgart verhandelt erstes Musterverfahren

Das Oberlandesgericht Stuttgart verhandelt seit dem 25.01.2019 als erstes Gericht eine Musterfeststellungsklage. Dabei geht es um Autokreditverträge der Mercedes-Benz-Bank, in denen nach Ansicht der klagenden Schutzgemeinschaft für Bankkunden fehlerhafte Widerrufsbelehrungen verwendet wurden. Teilte das OLG diese Ansicht, könnten Diesel-Besitzer den Kreditvertrag noch Jahre später widerrufen und in der Folge auch ihren Diesel zurückgeben. Allerdings hat das OLG nun nicht nur die Zulässigkeit der Klage infrage gestellt, sondern auch Zweifel an der Begründung der Klage geäußert.

Widerruf von Autokreditverträgen soll Rückgabe von Diesel-Fahrzeugen ermöglichen

Die Schutzgemeinschaft für Bankkunden hat die Mercedes-Benz-Bank verklagt, weil sie diverse Formulierungen in den Kreditverträgen des Instituts ab dem Sommer 2014 für unzulässig hält. Es geht um ganz verschiedene Punkte vor allem in den Widerrufsregeln, letztlich verfolgen die Kläger aber ein Ziel: Das Gericht soll am Ende feststellen, dass die Frist für einen Widerruf des Vertrags wegen dieser unklaren Formulierungen nie zu laufen begonnen hat. Und wenn sie nie begonnen hat, kann sie natürlich auch nie abgelaufen sein. Das wiederum würde bedeuten, dass sich Kunden der Bank, die mit dem Kredit ein Auto finanziert haben, selbst nach Jahren noch von dem Geschäft lösen könnten. Anwälte sehen hier einen Ausweg für Diesel-Besitzer, da sie dann auch ihren Wagen zurückgeben könnten.

Rückgabe soll ohne Pflicht zu Nutzungsentschädigung möglich sein

Wenn es nach der Schutzgemeinschaft für Bankkunden ginge, würde das Gericht am Ende auch festlegen, dass die Autobesitzer den Wertverlust, den jedes Auto über die Zeit erleidet, wegen der unklaren Regeln im Vertrag nicht ersetzen müssen. Man würde also einfach so tun, als ginge es um ein nagelneues Auto, obwohl der Besitzer damit womöglich schon Jahre gefahren ist. Viele Anwälte werben deshalb auch mit diesem "Widerrufs-Joker" um Mandanten. Es gibt spezielle Internetseiten und sogar Werbeplakate an Autobahnraststätten, die sich gezielt an Diesel-Fahrer richten und eine günstige Möglichkeit versprechen, sich das Problem vom Hals zu schaffen.

OLG stellt Zulässigkeit der Klage infrage

Am 25.01.2019 stellte der Vorsitzende Richter nun allerdings ganz grundsätzlich infrage, ob die Klage überhaupt zulässig ist. Der Kläger in einem Musterfeststellungsverfahren muss nach dem Gesetz bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Ob das in dem aktuellen Verfahren der Fall ist, stellte das Gericht infrage. Eine Entscheidung soll am 20.03.2019 fallen.

Widerrufsregeln laut OLG nicht zu beanstanden

Etliche Autobesitzer haben schon auf eigene Faust versucht, ihren Fahrzeugkauf über den "Widerrufs-Joker" rückgängig zu machen – vor allem, wenn sie eine Rechtsschutzversicherung und damit kein finanzielles Risiko haben. Nach Darstellung aller Beteiligten haben Gerichte bisher aber sehr unterschiedlich geurteilt – und ein rechtskräftiges Urteil oder eine höchstrichterliche Entscheidung gibt es in diesem speziellen Fall noch nicht. Die Mercedes-Benz-Bank steht auf dem Standpunkt, dass ihre Vertragsklauseln allesamt korrekt sind. Sie bekommt nun Rückendeckung vom OLG Stuttgart. Der Vorsitzende Richter äußerte, dass die Widerrufsregeln nicht zu beanstanden seien.

Musterfeststellungsklage auch gegen VW-Bank eingereicht

Betroffen sind auch noch andere Autobanken. Anwalt Timo Gansel, der die Schutzgemeinschaft im Verfahren vor dem OLG vertritt, sagt, die Mercedes-Benz-Bank stehe hier stellvertretend für eine Vielzahl von Autobanken. Das hat wohl auch damit zu tun, dass die gesetzlichen Vorgaben, wie ein Kunde beim Abschluss eines Kreditvertrags klar und verständlich über seine Rechte belehrt werden muss, selbst nicht sonderlich klar und verständlich sind. Die Schutzgemeinschaft für Bankkunden hat auch gegen die VW-Bank eine Musterfeststellungsklage eingereicht.

OLG Stuttgart und OLG Braunschweig bezweifeln Klagebefugnis der Schutzgemeinschaft

Erst einmal wird es kein weiteres Verfahren zu dem Thema geben, denn das für die VW-Bank zuständige OLG Braunschweig hat die Klage – anders als das in Stuttgart – bislang nicht angenommen. Die Schutzgemeinschaft habe nicht ausreichend nachgewiesen, dass sie in Musterverfahren klageberechtigt ist, argumentierten die Braunschweiger Richter. Fraglich ist aus ihrer Sicht die erforderliche Mindestzahl von 350 Mitgliedern sowie der Nachweis, dass der eingetragene Verein sich hauptsächlich der Aufklärung und Beratung von Verbrauchern widmet – und kein reiner "Abmahnverein" ist. Die gleichen Fragen stellt sich auch das OLG Stuttgart. Die Schutzgemeinschaft hat gegen die Braunschweiger Entscheidung beim Bundesgerichtshof Beschwerde eingereicht. Mit einer Entscheidung ist laut Gansel erst in einigen Monaten zu rechnen.

Redaktion beck-aktuell, Nico Esch, 28. Januar 2019 (dpa).

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