Münchner Krankenversicherung wirbt für Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz
Konkret geht es um eine private Krankenversicherung mit Sitz in München, die im Internet das Angebot einer Fernbehandlung per App bei Ärztinnen und Ärzten in der Schweiz beworben hatte. Die Wettbewerbszentrale sah darin einen Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz und klagte auf Unterlassung. Ihr Anwalt sagte vor dem BGH, ein Arzt müsse die Atmung des Patienten erkennen, Daten zum Kreislauf erheben können, abtasten und abhören. Nachbehandlungen seien über Video denkbar, wenn der Mediziner Patient und Erkrankung schon kenne. Es gehe nicht um das Kommunikationsmittel, sondern um die Frage, ob Ärzte überhaupt auf Distanz Krankheiten diagnostizieren können. Die Gegenseite argumentierte, die Ärzte müssten im Einzelfall entscheiden, ob sie auf diesem Weg einen Befund feststellen und eine Therapie empfehlen können. "Es geht um Bagatellen und nicht um die Frage, ob man eine Blinddarmentzündung hat", sagte Anwalt Norbert Tretter. Gerade die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass digitale Behandlungsmöglichkeiten wichtig und möglich sind.
BGH zeigt sich offen für neue Technologien
In den beiden Vorinstanzen in München war die Versicherung unterlegen und nun dagegen in Revision gegangen. Das Oberlandesgericht etwa hatte argumentiert, Goldstandard einer ärztlichen Behandlung sei der persönliche Kontakt. Bei der BGH-Verhandlung am Donnerstag zeigte sich hingegen, dass die Karlsruher Richterinnen und Richter durchaus Raum für neue technische Möglichkeiten sehen. Die Argumentation des Oberlandesgerichts sei möglicherweise so nicht richtig, sagte der Vorsitzende Richter des I. Zivilsenates, Thomas Koch. Der Gesetzgeber habe an mehreren Stellen in der Vergangenheit Wege zu mehr Digitalisierung im Gesundheitswesen geschaffen. Möglichkeiten sogenannter Telemedizin seien darauf angelegt, dass sich Behandlungsmethoden ändern können.
Fernbehandlungen unter Verwendung von Kommunikationsmedien nicht verboten
Zu berücksichtigen sei auch, dass der betroffene § 9 HWG (Heilmittelwerbegesetz), der grundsätzlich ein Werbeverbot für Fernbehandlungen normiert, im Lauf des Verfahrens um einen zweiten Satz ergänzt worden sei. Vom Verbot ausdrücklich ausgenommen seien mithin "Fernbehandlungen, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgen". Allerdings gebe es Standards oder Leitlinien für Fernbehandlungen bisher nur in ausgewählten Bereichen wie der Notfallmedizin, machte Koch deutlich - nicht aber für alle sogenannten Primärärzte wie Hausärzte. Nach Ansicht des Gerichts gibt es noch viele Fragen zu klären, etwa ob ein Verbot solcher Werbung für das gesamte Ausland gelten würde oder Unterschiede etwa zwischen EU-Ländern und Afrika gemacht würden. Eine Entscheidung verkündet das Gericht erst später. Mit einem pauschalen Ja oder Nein wird sich die Ausgangsfrage aber möglicherweise nicht beantworten lassen.