Weltstrafgericht verurteilt Attacke der US-Regierung

Der Internationale Strafgerichtshof hat Drohungen der US-Regierung gegen Mitarbeiter des Gerichts als Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz scharf verurteilt. Trotz der "Drohungen und Zwangsmaßnahmen" bleibe das Gericht fest entschlossen, sein Mandat unabhängig und unparteiisch auszuführen, betonte es am 12.06.2020. Es hatte im März den Weg für Ermittlungen wegen möglicher Kriegsverbrechen in Afghanistan auch gegen US-Sicherheitskräfte freigemacht.

Finanzielle Sanktionen und Einreiseverbote drohen

US-Präsident Donald Trump hatte daraufhin am 11.06.2020 eine Verfügung genehmigt, nach der Mitarbeiter des Gerichts bei Ermittlungen gegen US-Sicherheitskräfte mit finanziellen Sanktionen und Einreiseverboten bestraft werden können. Außenminister Mike Pompeo betonte: "Wir können und wollen nicht dabei zusehen, wie unsere Leute von einem korrupten Gericht bedroht werden." Justizminister William Barr kündigte an, sein Ministerium werde die Sanktionen "im vollen Umfang des Gesetzes" umsetzen.

Ausweitung der Visabeschränkungen

Das Weiße Haus teilte mit, der Präsident habe auch die Ausweitung der Visabeschränkungen gegen Mitarbeiter des Strafgerichtshofs und deren Angehörige genehmigt. Die Handlungen des Gerichts stellten einen Angriff auf die Rechte der Amerikaner dar und bedrohten die nationale Sicherheit. Die Vereinigten Staaten würden jede notwendige Maßnahme ergreifen, um Bürger und Verbündete vor ungerechtfertigter Verfolgung zu schützen.

Beeinflussung durch eine "Reihe von beispiellosen Attacken"

Das Gericht wirft den USA jetzt vor, mit einer "Reihe von beispiellosen Attacken" Verfahren beeinflussen zu wollen. "Diese Angriffe stellen eine Eskalation dar und einen nicht hinzunehmenden Versuch, in den Lauf der Justiz und die Verfahren des Gerichts einzugreifen." Auch die Vereinten Nationen zeigten sich wegen des Vorgehens der US-Regierung "besorgt". Die Sache werde sehr genau beobachtet, sagte ein Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres in New York.

USA drohen mit ernsten Konsequenzen

Barr sagte, mit Trumps Anordnung werde sichergestellt, "dass diejenigen, die die politisch motivierten Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs gegen amerikanische Soldaten und Geheimdienstmitarbeiter ohne Zustimmung der Vereinigten Staaten unterstützen, ernste Konsequenzen erleiden werden". Bei dem Gericht handele es sich "um wenig mehr als ein politisches Werkzeug". Pompeo sagte, er habe eine "Botschaft an enge Verbündete auf der ganzen Welt: Eure Leute könnten als nächstes dran sein, besonders die von Nato-Staaten, die Terrorismus in Afghanistan an unserer Seite bekämpft haben". Verteidigungsminister Mark Esper sagte, es liege in der Verantwortung der US-Justiz, gegen Soldaten vorzugehen. US-Soldaten "werden niemals vor dem Internationalen Strafgerichtshof erscheinen".

Ermittlungen haben inzwischen begonnen

Die Richter in Den Haag hatten im März geurteilt, dass im Rahmen von Ermittlungen zu möglichen Kriegsverbrechen in Afghanistan auch gegen US-Soldaten und CIA-Mitarbeiter ermittelt werden könne. Zu etwaigen Kriegsverbrechen in geheimen Gefangenen-Einrichtungen der US-Streitkräfte außerhalb von Afghanistan darf die Anklage ebenfalls ermitteln. Die US-Regierung hatte bereits im vergangenen Jahr mit Gegenmaßnahmen gedroht. Die Ermittlungen haben inzwischen begonnen. Es gibt aber noch keine konkreten Verdachtsfälle oder Anklagen.

Redaktion beck-aktuell, 12. Juni 2020 (dpa).