“Welt“: Nur wenige Anträge homosexueller Justizopfer auf Entschädigung

Weniger homosexuelle Justizopfer als erwartet haben bisher eine Entschädigung beantragt. Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur strafrechtlichen Rehabilitierung verurteilter Homosexueller im Juli 2017 seien erst 81 Anträge auf Entschädigung beim Bundesamt für Justiz gestellt worden, berichtete die “Welt“ am 01.03.2018 unter Berufung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion an das Justizministerium. Das Bundesjustizministerium rechnete bei Verabschiedung des Gesetzes im Juli 2017 mit maximal 5.000 Anträgen auf Entschädigung. Insgesamt wurden bisher Entschädigungssummen in Höhe von 254.000 Euro ausgezahlt.

Zahl der noch lebenden Opfer unklar

Der frühere § 175 StGB stellte sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe. Die Bundesrepublik hatte diese durch die Nationalsozialisten verschärfte Regelung übernommen. Im Jahr 1969 wurde der Paragraf entschärft, aber erst 1994 endgültig abgeschafft. Auf seiner Basis wurden Schätzungen zufolge 64.000 Menschen verurteilt. Wie viele Betroffene noch leben, ist nicht sicher. Als finanzielle Entschädigung sind pro Person pauschal 3.000 Euro vorgesehen sowie 1.500 Euro für jedes angefangene Jahr im Gefängnis.

Ansprüche nur bei erfolgter Verurteilung

Positiv beschieden wurden bis zum Stichtag 20.02.2018 54 Anträge, abgelehnt drei. Anspruch auf Entschädigung haben nur Menschen, die rechtskräftig verurteilt wurden. Ein bloßes Ermittlungsverfahren reicht nicht. "Ermittlungs- und Strafverfahren, die nicht zu einer Verurteilung führten, fehlt es an diesem Strafmakel", heißt es in der Antwort des Justizministeriums.

Gleichstellungsbeauftragte fordert Nachbesserungen

Die Gleichstellungsbeauftragte des Bundes, Christine Lüders, forderte Nchbesserungen. Wer in den 1950er- oder 60er Jahren ein Straf- oder Ermittlungsverfahren nach § 175 StGB über sich ergehen lassen musste, habe oft schwerste Folgen bis hin zum Verlust der bürgerlichen Existenz erlitten – selbst wenn er später freigesprochen worden sei, so Lüders. "Das gilt besonders für Menschen, die teils über Monate in Untersuchungshaft saßen und dafür keine Haftentschädigung bekamen." Diese Opfer dürften nicht einfach ignoriert werden.

Redaktion beck-aktuell, 9. März 2018 (dpa).

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