Vorlage an BVerfG: OVG Berlin-Brandenburg hält Berliner Zweckentfremdungsverbot-Gesetz für teilweise verfassungswidrig

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zweifelt an der Verfassungsmäßigkeit des Zweckentfremdungsverbot-Gesetzes. Mit mehreren Beschlüssen vom 06.04.2017 hat es in 41 Berufungsverfahren die Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die Regelungen des Zweckentfremdungsverbot-Gesetzes insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar sind, als sie sich Rückwirkung beimessen (Az.: OVG 5 B 14.16 und andere).

Gesetz bezieht auch bislang genehmigungsfrei für andere Zwecke genutzte Objekte ein

In Berlin gilt seit dem 01.05.2014 ein Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum. Seither darf Wohnraum wegen einer besonderen Gefährdung der Wohnraumversorgung nur mit Genehmigung des zuständigen Bezirksamtes zu anderen als Wohnzwecken genutzt werden. Als Zweckentfremdung gilt unter anderem die Nutzung als Ferienwohnung oder die Nutzung für gewerbliche oder berufliche sonstige Zwecke. Das neue Berliner Zweckentfremdungsverbot-Gesetz unterstellt aber nicht nur vorhandenen Wohnraum dem Zweckentfremdungsverbot. Vielmehr werden auch Räume, die zur dauernden Wohnnutzung nur geeignet sind, aber im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Verbots bereits zu anderen Zwecken, beispielsweise als Ferienwohnung oder als Rechtsanwaltskanzlei, genehmigungsfrei genutzt wurden, in den Begriff des Wohnraums und damit in das Zweckentfremdungsverbot einbezogen (Rückwirkung).

Kläger wollen Erteilung von Negativattesten erreichen

Die Kläger mehrerer Berufungsverfahren sind Eigentümer beziehungsweise Mieter solcher Räume, die bereits vor Inkrafttreten des Verbots als Ferienwohnungen genutzt wurden und auch weiterhin als solche genutzt werden sollen. Sie begehren die Erteilung sogenannter Negativatteste, mit denen das zuständige Bezirksamt bestätigen soll, dass für die Nutzung der Räume eine zweckentfremdungsrechtliche Genehmigung nicht erforderlich ist. Ihre Klagen hatten vor dem Verwaltungsgericht Berlin keinen Erfolg.

OVG hält nur Schutz des Wohnraumbestandes für rechtens

Das OVG hat die Verfahren ausgesetzt und das BVerfG angerufen. Zwar sei, so das OVG, angesichts der vom Senat von Berlin vorgelegten Zahlen die Annahme einer besonderen Gefährdung der Wohnraumversorgung in Berlin nicht zu beanstanden. Das Zweckentfremdungsverbot sei deshalb aus Sicht des OVG rechtmäßig, soweit es um den Schutz des Wohnraumbestandes gehe. Soweit das Gesetz aber eine vor dem 01.05.2014 begonnene Vermietung von Räumen als Ferienwohnung dem Zweckentfremdungsverbot unterstelle, gehe dies jedoch über den reinen Schutz des Wohnraumbestandes hinaus und greife insoweit unverhältnismäßig in die Grundrechte der Eigentümer und Vermieter ein. Die besondere Gefährdung der Wohnraumversorgung rechtfertige es nicht, Eigentümer zu zwingen, gewerblich genutzte Räumlichkeiten in Wohnraum (zurück) zu verwandeln. Die vom Gesetz eingeräumte Übergangsfrist von zwei Jahren für Ferienwohnungsvermieter und die Möglichkeit, eine Genehmigung zu beantragen, könnten die mit dem Zweckentfremdungsverbot verbundenen Rechtsbeeinträchtigungen nicht kompensieren.

OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.04.2017 - 5 B 14.16

Redaktion beck-aktuell, 7. April 2017.

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