Vorerst keine Auslieferung Assanges an die USA

Ein Gericht in London hat den US-Antrag auf Auslieferung von Wikileaks-Gründer Julian Assange am 04.01.2021 abgelehnt. Die Richterin begründete ihre Entscheidung mit dem psychischen Gesundheitszustand Assanges und den Haftbedingungen, die ihn in den USA erwarten würden. Es sei damit zu rechnen, dass er sich in Isolationshaft das Leben nehmen werde. Die USA haben bereits angekündigt, in Berufung zu gehen.

Geheimnisverrat vorgeworfen

Dem 49-Jährigen drohen in den USA bei einer Verurteilung bis zu 175 Jahre Haft. Die US-Justiz wirft dem gebürtigen Australier vor, gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning – damals Bradley Manning – geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen und veröffentlicht zu haben. Der 49-Jährige habe damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht, so der Vorwurf. Seine Unterstützer sehen in ihm hingegen einen investigativen Journalisten, der Kriegsverbrechen ans Licht gebracht hat.

Verfahren geht weiter

Der Rechtsstreit dürfte jedoch vorerst in Großbritannien weitergehen. Die USA haben bereits angekündigt, gegen das Londoner Urteil in Berufung zu gehen. Sodann könnte das Verfahren vor den britischen Supreme Court gehen und schließlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg beschäftigen. Menschenrechtler, Politiker und Organisationen wie Reporter ohne Grenzen hatten zuvor gewarnt, Assange würde in den USA kein faires Verfahren bekommen.

Sorge um Assanges Zustand

Der Wikileaks-Gründer saß bereits seit rund eineinhalb Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh im Südosten der britischen Hauptstadt. Angesichts der Corona-Pandemie durfte er nur sehr eingeschränkt Besuch empfangen, auch Telefonate nach draußen waren nicht unbegrenzt möglich. Wegen eines Corona-Ausbruches im Gefängnis wurde zeitweise ein ganzer Block unter Quarantäne gestellt. Familienmitglieder sorgten sich seit langer Zeit um Assanges psychischen und gesundheitlichen Zustand.

DJV wertet Urteil als Erfolg

Der Deutsche Journalisten-Verband reagierte mit Freude und Erleichterung auf das Londoner Gerichtsurteil. Dieses sei ein wichtiger Erfolg für alle Journalisten, die mit brisantem Material arbeiten, an dessen Veröffentlichung Mächtige kein Interesse haben, sagte DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall. Er begrüßte in dem Zusammenhang auch die inter-fraktionelle Initiative von Bundestagsabgeordneten zur Freilassung Assanges: Die Unterstützung für den Wikileaks-Gründer reiche bis in die Berliner Politik. "Das sind gewichtige Argumente, denen sich die neue Biden-Administration nicht verschließen sollte."

Vorläufige Freilassung Assanges gefordert

Bis zur Berufungsverhandlung müsse Julian Assange auf freien Fuß gesetzt werden, fordert Überall: Zum einen sei sein Gesundheitszustand besorgniserregend, zum anderen sei er Vater von zwei britischen Kindern. Der Schutz der Familie müsse auch in Großbritannien gelten.

Redaktion beck-aktuell, 4. Januar 2021 (dpa).