Volle Gefängnisse in Großbritannien: Richter sollen Urteile aufschieben

Wegen überfüllter Gefängnisse in Großbritannien sollen Richter vorerst einige Urteile aufschieben - das berichtet die Zeitung "Times". Demnach könnten in einigen Fällen auch Straftäter wie Einbrecher und Vergewaltiger vorerst einer Haftstrafe entgehen, hieß es weiter.

Richtern und Richterinnen sei "befohlen/dringend empfohlen" worden, einen Angeklagten, der gegen Auflagen noch auf freiem Fuß sei, nicht hinter Gitter zu schicken - aus Sorge, dass das Gefängnissystem überlastet werde, zitierte das Blatt am Donnerstag einen ranghohen Richter. Die Oppositionspartei Labour sprach von einer "vernichtenden Anklage gegen den Zustand unserer Gefängnisse".

Die Zahl der Häftlinge hat in Großbritannien seit der Pandemie deutlich zugenommen. Sicherheits-Staatssekretär Tom Tugendhat sagte dem Sender Sky News, nach Verzögerungen durch die Pandemie und einen Anwaltsstreik gehe nun eine "Welle von Strafverfolgungen (...) und damit eine Welle von Inhaftierungen" durch das System. "Wir stellen sicher, dass diejenigen, die die schwersten sexuellen Straftaten begehen, nicht vorzeitig entlassen werden können, und das erhöht den Druck auf unsere G Gefängnisse", fügte der konservative Politiker hinzu. Er betonte, die Regierung baue die Zahl der Gefängnisplätze aus.

Regierung will Gefängnisplätze in anderen Staaten mieten

Derzeit sind in Großbritannien 88.016 Menschen in Haft, die Kapazität liegt bei 88.667. Mit Stand Juni warteten 15.000 Angeklagte in Untersuchungshaft auf ihren Prozess, vor der Pandemie waren es noch 9.500. Männergefängnisse seien zu 99,6% belegt und Justizvollzugsanstalten für Frauen zu 96%, sagte die Chefin des Gefängnisdirektorenverbands, Andrea Albut, kürzlich der Zeitung "Telegraph". Justizminister Alex Chalk hatte zudem mitgeteilt, die Regierung wolle Gefängnisplätze in anderen Staaten mieten.

Im März hatte das OLG Karlsruhe eine Auslieferung nach Großbritannien abgelehnt: Dort drohe wegen der Überfüllung der Gefängnisse eine unmenschliche Behandlung, so die Begründung.

Redaktion beck-aktuell, 12. Oktober 2023 (dpa).