Virtuelle Hauptversammlung soll dauerhaft möglich bleiben

Aufgrund der COVID-19-Pandemie wurde die Möglichkeit geschaffen, Hauptversammlungen ausschließlich im virtuellen Format abzuhalten. Diese Regelung soll nun vor dem Hintergrund der grundsätzlich positiven Erfahrungen und der fortschreitenden Digitalisierung des Aktienrechts als dauerhafte Regelung im Aktiengesetz eingeführt werden. Das Bundesjustizministerium stellte einen Referentenentwurf hierzu vor und verschickte ihn an Länder und Verbände.

Pandemiebedingte Regelung tritt Ende August außer Kraft

Durch das Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (GesRuaCOVBekG) haben Aktiengesellschaften und verwandte Rechtsformen in Deutschland erstmals die Möglichkeit erhalten, ihre Hauptversammlungen ausschließlich virtuell, das heißt, ohne physische Präsenz sämtlicher Aktionäre abzuhalten. Das GesRuaCOVBekG tritt mit Ablauf des 31.08.2022 außer Kraft.

Rechte-Ausübung soll zum Teil ins Vorfeld verlagert werden

Damit Aktiengesellschaften künftig dauerhaft von der virtuellen Hauptversammlung als zusätzlicher Form der Versammlung Gebrauch machen können, soll im AktG eine Möglichkeit dafür geschaffen werden, dass die Satzungen der Gesellschaften entsprechende Bestimmungen oder Ermächtigungen des Vorstands vorsehen können. Die Abhaltung der Versammlung als virtuelle Hauptversammlung solle an einige Voraussetzungen geknüpft werden, teilte das Bundesjustizministerium mit. Zudem werde für die einzelnen Aktionärsrechte festgelegt, wann und in welcher Form diese im Rahmen der virtuellen Hauptversammlung zu gewähren sind. Angesichts dessen, dass sich die für die Versammlung relevanten Informations- und Entscheidungsprozesse immer mehr in das Vorfeld der Hauptversammlung verlagern, trage der Referentenentwurf dieser Tatsache Rechnung, indem er künftig auch die Ausübung der Rechte zum Teil in das Vorfeld verlagere. Der Ablauf und der Prozess der Hauptversammlung würden dadurch entzerrt, die Auskunftsmöglichkeiten der Aktionäre gestärkt.

Virtuelle Hauptversammlung in Gesellschaftssatzung festzulegen

Konkret soll in das AktG ein neuer § 118a als zentrale Vorschrift der virtuellen Hauptversammlung eingefügt werden. Die Entscheidung für die virtuelle Hauptversammlung bedürfe einer Grundlage in der Gesellschaftssatzung, sodass die Aktionäre über deren Format entscheiden. Die Präsenzversammlung bilde damit weiterhin die Grundform der Hauptversammlung. Die Regelung in der Satzung oder eine entsprechende Ermächtigung des Vorstands soll auf bis zu fünf Jahre befristet werden, um die Legitimation der Entscheidung regelmäßig zu erneuern.

Virtuelle Abhaltung an bestimmte Voraussetzungen geknüpft

Die Abhaltung der Versammlung als virtuelle Hauptversammlung soll zum Schutz der Aktionäre unter anderem an folgende Voraussetzungen geknüpft werden: Die gesamte Versammlung soll in Bild und Ton zu übertragen sein, es ist die elektronische Stimmrechtsausübung der Aktionäre zu ermöglichen und Aktionäre müssen Anträge in der Versammlung elektronisch stellen können (etwa Antrag zur Abwahl des Versammlungsleiters). Außerdem sollen sie ein Auskunftsrecht im Wege elektronischer Kommunikation erhalten. Dieses soll, wie in der Präsenzversammlung, im Versammlungstermin gewährt werden können. Der Vorstand soll allerdings auch entscheiden können, dass Aktionärsfragen bis spätestens vier Tage vor dem Versammlungstermin einzureichen sind. In diesem Fall sollen die Aktionäre in der Versammlung ein Nachfragerecht erhalten. Zur Verbesserung der Transparenz soll der Bericht des Vorstands oder dessen wesentlicher Inhalt bereits vor der Versammlung den Aktionären zugänglich zu machen sein. Alle Aktionäre sollen die Möglichkeit bekommen, Stellungnahmen im Vorfeld der Versammlung einzureichen, die den Aktionären zudem ebenfalls zugänglich zu machen sind. Auch wird eine Redemöglichkeit in der Versammlung für alle Aktionäre im Weg der Videokommunikation vorgesehen. Damit diese für die Emittenten beherrschbar bleibt, soll der Gebrauch an ein Vorverfahren geknüpft werden (etwa Möglichkeit zur Festlegung eines Zeitraums für die Gesamtheit der Redebeiträge sowie einer Anzahl von Redebeiträgen in der Einberufung, die nach dem Prioritätsprinzip vergeben werden). Schließlich soll den elektronisch zur Versammlung zugeschalteten Aktionären eine Widerspruchsmöglichkeit zur Verfügung zu stellen sein.

Zu behandelnde Gegenstände nicht eingeschränkt

Um Anfechtungsrisiken für die Gesellschaften abzumildern, werden die bestehenden Vorschriften des Aktiengesetzes, die Anfechtungsmöglichkeiten im Fall technischer Störungen begrenzen, auf die virtuelle Hauptversammlung ausgedehnt. Über solche technischen Störungen hinaus ist das Anfechtungsrecht eröffnet. Die virtuelle Hauptversammlung soll nach dem Entwurf des Justizministeriums keine Einschränkung bezüglich in ihr zu behandelnder Gegenstände enthalten. Neben Aktiengesellschaften soll das Gesetz auch die Versammlungen der verwandten Rechtsformen Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA), Europäische Aktiengesellschaft (SE) und Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) regeln.

Redaktion beck-aktuell, 11. Februar 2022.