Insolvenzverwalter-Verband fordert Nachbesserung beim Gesetzentwurf zur Verkürzung der Restschuldbefreiung

Der Berufsverband der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) begrüßt in einer Mitteilung vom 29.09.2020 den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens von bisher sechs auf drei Jahre, übt aber auch Kritik. Er moniert insbesondere die fehlende Möglichkeit einer gesicherten Fortsetzung der selbständigen Tätigkeit für Freiberufler, Einzelkaufleute und Solo-Selbständige.

VID kritisiert Differenzierung zwischen Verbrauchern und Unternehmern

Der Regierungsentwurf sehe vor, dass die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens für Verbraucher bis zum 30.06.2025 befristet wird. Danach solle das Verfahren evaluiert werden. Das verkürzte Restschuldbefreiungsverfahren für Unternehmer sei davon allerdings ausgenommen. Eine solche Differenzierung zwischen unternehmerisch tätigen natürlichen Personen, für die eine Restschuldbefreiung nach drei Jahren ohne Befristung vorgesehen sei und Verbrauchern, die nach Auslaufen der Befristung regelmäßig erst nach sechs Jahren von ihren Schulden befreit werden sollen, sei rechtlich problematisch, erklärt Christoph Niering, Vorsitzender des VID. "Sowohl Unternehmer als auch Verbraucher haben die zweite Chance verdient“, so Niering.

Kritik an Ausweitung der Versagungsgründe wegen Begründung unangemessener Verbindlichkeiten

Der VID kritisiert auch die Ausweitung von Versagungen der Restschuldbefreiung wegen der Begründung unangemessener Verbindlichkeiten.
Bislang könne einem Schuldner die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers versagt werden, wenn er bis zu drei Jahre vor dem Insolvenzantrag die Befriedigung der Insolvenzgläubiger durch Begründung unangemessener Verbindlichkeiten beeinträchtigt hat – also Schulden macht, die in einem starken Missverhältnis zur eigenen Fähigkeit stehen, diese zurückzuzahlen. Der Regierungsentwurf sehe nun vor, dass der Schuldner künftig auch in der Wohlverhaltensperiode keine unangemessenen (neuen) Verbindlichkeiten begründen darf. Künftig solle bei Verletzung dieser Obliegenheit die Restschuldbefreiung sogar von Amts wegen versagt werden. Das bedeute, der Insolvenzrichter verhalte sich wie ein strafender Richter. "Schon im geltenden Recht ist das Tatbestandsmerkmal der unangemessenen Verbindlichkeiten schwer zu fassen. Durch die geplante Neuregelung wird der Unwertgehalt nun auch noch unterschiedlich gewichtet", erläutert der VID-Vorsitzende.

Höhere Gewichtung von unangemessenen Verbindlichkeiten in Wohlverhaltensperiode nicht nachvollziehbar

Während die Begründung unangemessener Verbindlichkeiten vor Insolvenzeröffnung die Restschuldbefreiung nur auf Gläubigerantrag gefährde und eine grob schuldhafte Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung voraussetze, solle das gleiche Verhalten in der Wohlverhaltensperiode nunmehr als "Offizialdelikt“ von Amts wegen verfolgt werden und unabhängig davon, ob die Insolvenzgläubiger einen Nachteil erleiden“, so Niering weiter. Weshalb die Begründung unangemessener Verbindlichkeiten in der Wohlverhaltensperiode schwerer wiegen solle als in der Zeit vor Insolvenzeröffnung, sei dem Entwurf nicht zu entnehmen. Zudem sei der Schuldner in der Wohlverhaltensperiode bei der Schufa gemeldet und habe dadurch wenig Chancen unangemessene Verbindlichkeiten einzugehen.

VID vermisst Regelungen für Selbständige und Freiberufler 

Am Ende der wirtschaftlichen Sorgen stehe für viele Unternehmer, Selbstständige und Freiberufler nicht erst seit Corona die Insolvenz. Doch im Regierungsentwurf gebe es keine Vorschriften, die speziell auf den Neustart von Selbständigen und Freiberuflern abzielten. Der Gesetzgeber habe sie nicht mit besonderen Maßnahmen unterstützt und erwarte, dass sich Freiberufler über das voraussichtlich zum 01.01.2021 geplante Präventivverfahren sanieren. "Das Restrukturierungsverfahren ist sehr komplex und für Freiberufler und Soloselbstständige nicht finanzierbar. Es wird sich in der Praxis deshalb nur in wenigen Fällen eignen“, erläutert Niering.

Freigabeanspruch und eigenes Antragsrecht Selbstständiger gefordert 

Der Insolvenzverwalter könne in einem Insolvenzverfahren die Tätigkeit des selbstständig arbeitenden Schuldners freigeben. Bisher mache er das allein unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten. Er entscheide, ob sich diese Freigabe im Hinblick auf die Insolvenzmasse lohne, erläutert der VID-Vorsitzende. Komme es zu einer Freigabe, könne der in Insolvenz geratene Selbstständige oftmals bereits am Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem freigegebenen Geschäftsbetrieb weiterarbeiten und somit auch außerhalb einer angestellten Tätigkeit einen wirtschaftlichen Neuanfang starten. Es fehlt laut VID insoweit jedoch an einem eigenen Antragsrecht für den gescheiterten Selbstständigen und auch an flankierenden Maßnahmen, die eine Fortführung der selbstständigen Tätigkeit rechtlich absichern. Hier bestehen gesetzliche Defizite, welche nun beseitigt werden sollten. "Die Freigabe der selbständigen Tätigkeit sollte jetzt gesetzlich konkretisiert und als Anspruch des Betroffenen definiert werden. Die künftig auf drei Jahre verkürzte Phase der Restschuldbefreiung böte den Betroffenen, in Kombination mit der verbesserten gesetzlichen Regelung der Freigabe, die Chance einer krisenbedingten Anpassung und Erhaltung ihrer wirtschaftlichen Existenzgrundlage – also einen echten Neustart.

Redaktion beck-aktuell, 30. September 2020.