Zeugen Jehovas droht in Russischer Föderation staatliche Verfolgung

Zwei russische Staatsangehörige, die den Zeugen Jehovas angehören, müssen in Deutschland als Asylberechtigte anerkannt werden. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof München entschieden. Zeugen Jehovas drohe in der Russischen Föderation mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine staatliche Verfolgung wegen ihrer Religion.

Zwei russische Zeugen Jehovas stellten Asylanträge

Die Kläger gehören zur Gruppe der etwa 170.000 Zeugen Jehovas in der Russischen Föderation und sind 2018 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Ihre Asylanträge lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ab. Die dagegen erhobene Klage beim Verwaltungsgericht Bayreuth blieb ohne Erfolg. Die Kläger gingen in Berufung.

VGH: Klägern droht Verfolgung in Russischer Föderation

Die Berufung hatte Erfolg. Der VGH hat das VG-Urteil abgeändert und die Bundesrepublik Deutschland dazu verpflichtet, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und sie als Asylberechtigte anzuerkennen. Den Klägern drohe in der Russischen Föderation als Zeugen Jehovas wegen ihrer Religion mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit staatliche Verfolgung. Das Oberste Gericht der Russischen Föderation habe die Zeugen Jehovas im Jahr 2017 als extremistische Gruppe eingestuft und ihnen sämtliche Aktivitäten verboten. Seitdem könne die Ausübung des Glaubens sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich zu einer strafrechtlichen Verfolgung führen. Dies stelle eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit dar, weil es die Möglichkeit öffentlicher Zusammenkünfte und sonstiger Glaubensbetätigung weitgehend unterbinde.

Überschaubare Zahl tatsächlicher Strafverfolgungen nicht ausschlaggebend

Zwar bewege sich die Zahl der strafrechtlich Verfolgten im Verhältnis zur Gesamtzahl der aktiven Glaubensangehörigen noch in überschaubaren Größen. Dies spreche aber nicht generell gegen die Annahme einer drohenden Strafverfolgung. Da die Zeugen Jehovas seit dem Verbot weitestgehend auf öffentliche Glaubensbekundungen wie etwa das Predigen an öffentlichen Orten und das Missionieren verzichteten, könne diese Zahl für die Feststellung einer beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit nicht den Ausschlag geben. Das Verbot und die drohenden Sanktionen träfen die Kläger auch in persönlicher Hinsicht schwer. Das Gericht sei davon überzeugt, dass die Teilnahme an öffentlichen Versammlungen und das öffentliche Missionieren ihre religiöse Identität präge und für sie unverzichtbar sei.

VGH München, Urteil vom 09.11.2021 - 11 B 19.33187

Redaktion beck-aktuell, 28. Februar 2022.