Nächtliches Alkoholkonsumverbot in München unverhältnismäßig
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Das von der Stadt München mit Blick auf zunehmende Neuinfektionen mit SARS-CoV-2 verhängte nächtliche Alkoholkonsumverbot in der Öffentlichkeit ist unverhältnismäßig. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof monierte, dass sich das Verbot pauschal auf das gesamte Stadtgebiet erstreckt. Außerdem kippte er ein im Freistaat geltendes Grillverbot auf öffentlichen Plätzen, soweit es unabhängig von der Anzahl der anwesenden Personen galt.

Alkoholkonsumverbot für eine Woche angeordnet

Die Stadt hatte mit Allgemeinverfügung vom 27.08.2020 angeordnet, dass ab dem Tag, an dem ein 7-Tages-Inzidenzwert für Neuinfektionen mit SARS-CoV-2 von mindestens 35 pro 100.000 Einwohnern in München erreicht wird, für die Dauer von 7 Tagen der Konsum von alkoholischen Getränken im öffentlichen Raum zwischen 23:00 Uhr bis 06:00 Uhr des Folgetages verboten ist.

Einstweiliger Rechtsschutz erfolgreich

Das Verwaltungsgericht ordnete im erstinstanzlichen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die aufschiebende Wirkung einer noch zu erhebenden Klage des Antragstellers gegen das Verbot des Alkoholkonsums in der Öffentlichkeit an. Die von der Landeshauptstadt hiergegen eingelegte Beschwerde blieb ohne Erfolg.

IfSG taugliche Rechtsgrundlage für Verbot

Der BayVGH führte zur Begründung seiner Entscheidung aus, dass das Verbot des Alkoholkonsums im öffentlichen Raum als notwendige Schutzmaßnahme voraussichtlich auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG) gestützt werden könne. Es sei ein geeignetes Mittel, um der Verbreitung des Corona-Virus entgegenzuwirken, weil es dazu beitrage, Menschenansammlungen zu verhüten. Hinzu komme, dass Alkoholkonsum im Einzelfall aufgrund seiner enthemmenden Wirkung zu im Hinblick auf den Infektionsschutz problematischen Verhaltensweisen (Schreien, lautes Reden, geringere Distanz zwischen Einzelpersonen etc.) im Rahmen einer Ansammlung führen könne.

Konsumverbot an "Hotspots" wäre ausreichend gewesen

Die Regelung der Allgemeinverfügung erweise sich aber als nicht erforderlich und damit als unverhältnismäßig, so die VGH-Richter, soweit sie sich auf das gesamte Stadtgebiet erstrecke. Das Verwaltungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass eine Beschränkung des Konsumverbots für alkoholische Getränke auf einzelne stark frequentierte Örtlichkeiten des öffentlichen Raums ("Hotspots“) ein gleich geeignetes, den Adressatenkreis weniger belastendes Mittel darstelle.

Stadt kann auf Ausweichtendenzen reagieren

Der Stadt stehe es frei, einer etwaigen Verlagerung auf "Ausweichflächen" durch Anpassung des räumlichen Geltungsbereichs der zeitlich ohnehin kurz befristeten Allgemeinverfügung Rechnung zu tragen, so das Gericht abschließend.

Auch Grillverbot auf öffentlichen Plätzen gekippt

In einem weiteren Verfahren, geführt gegen den Freistaat Bayern, hat der VGH § 2 Abs. 2 der 6. BayIfSMV vorläufig außer Vollzug gesetzt, soweit nach dieser Vorschrift das Grillen auf öffentlichen Plätzen und Anlagen unabhängig von den anwesenden Personen untersagt wurde. Die Vorschrift erweise sich als nicht mit höher-rangigem Recht vereinbar. Sie greife unverhältnismäßig in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG ein, weil sie gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Übermaßverbot verstoße. Gleichzeitig verstoße sie gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.

VGH München, Beschluss vom 01.09.2020 - 20 CS 20.1962

Redaktion beck-aktuell, 2. September 2020.