Journalist hat Anspruch auf Herausgabe eines anonymisierten Strafbefehls

Die Rechtspflicht zur Publikation veröffentlichungswürdiger Gerichtsentscheidungen umfasset auch Strafbefehle. Dies hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in München als Beschwerdeinstanz in einem Eilverfahren bestätigt und den Anspruch eines Journalisten bejaht, eine anonymisierte Fassung eines bereits rechtskräftigen Strafbefehls zu erhalten.

Streit um presserechtlichen Anspruch auf Herausgabe eines Strafbefehls

Das Amtsgericht Erding hatte den Antrag eines Journalisten auf Übersendung einer anonymisierten Fassung eines bereits rechtskräftigen Strafbefehls unter Hinweis auf die Besonderheiten des Strafbefehlsverfahren abgelehnt. Eine Publikationspflicht zur Veröffentlichung des Strafbefehls bestehe anders als bei Strafurteilen mangels mündlicher Verhandlung nicht. Das Verwaltungsgericht verurteilte das Amtsgericht einstweilig dazu, eine anonymisierte Fassung des Strafbefehls an den Journalisten herauszugeben. Der vom Strafbefehl Betroffene legte Beschwerde ein.

VGH bejaht Rechtspflicht zur Publikation veröffentlichungswürdigen Strafbefehls

Der Verwaltungsgerichtshof hat nunmehr die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt. Die allgemein anerkannte Rechtspflicht zur Publikation veröffentlichungswürdiger Gerichtsentscheidungen umfasse auch Strafbefehle. Dies gelte auch für den vorliegenden Strafbefehl, an dessen Herausgabe ein öffentliches Interesse bestehe. Das Verwaltungsgericht sei ferner zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass dem Informationsinteresse des Journalisten im konkreten Einzelfall der Vorzug gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse des beigeladenen Betroffenen zukomme. Zu berücksichtigen sei, dass der Strafbefehl hier die geschäftlichen Beziehungen des Beigeladenen zu Dritten betreffe und damit der im Vergleich zur Intim- oder Privatsphäre weniger schutzwürdigen Sozialsphäre zuzurechnen sei.

VGH München, Beschluss vom 15.05.2023 - 7 CE 23.666

Redaktion beck-aktuell, 16. Mai 2023.