Kreuz in jedem Dienstgebäude anzubringen
Nur eines ist schon jetzt sehr wahrscheinlich: Dass der Streit weitergehen und erst vom Bundesverwaltungsgericht abschließend entschieden werden wird. Einfach war zwar der sogenannte Kreuzerlass, den Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schon kurz nach seinem Amtsantritt 2018 per Kabinettsbeschluss durchsetzte. Seither heißt es in § 28 der Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats Bayern: "Im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes ist als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringen." Söder selbst lud damals, ein halbes Jahr vor der Landtagswahl, zu einem Pressetermin in die Staatskanzlei. Auch wenn er anschließend in Kauf nehmen musste, dass dort - aufgrund der Schattenwürfe durch die Blitzlichter der Fotografen - viele unvorteilhafte Fotos entstanden.
Klage gegen "Kreuzerlass" folgte auf dem Fuße
Kurz danach reichte der religionskritische Bund für Geistesfreiheit Klage gegen den Erlass ein. Ebenso wie 25 Unternehmer, Politiker und Kulturschaffende, darunter der Liedermacher Konstantin Wecker. Ihr Ziel: die bayerische Staatsregierung dazu verpflichten, den Kreuzerlass aufzuheben und die Kreuze entfernen zu lassen. Das Verwaltungsgericht München leitet die Klage in der wesentlichen Frage der Rechtmäßigkeit des Kreuzerlasses eine Instanz höher weiter. Also muss sich der Bayerische VGH nun mit einer Vielzahl juristisch komplexer Fragen befassen. Erst einmal: Ist die Klage des Bundes für Geistesfreiheit, und sind die Klagen der Einzelpersonen zulässig? Wer wird gegebenenfalls jeweils in seinen Rechten verletzt und wie schwerwiegend ist dann dieser Eingriff? Was ist eigentlich mit dem sogenannten Neutralitätsgebot des Staates? Handelt es sich beim Kreuzerlass um eine Norm, die - weil sie allein an die Behördenleiter gerichtet ist - keine Außenwirkung entfaltet? Oder eben doch, auch wegen der publikumswirksamen Vermarktung Söders?
Kläger kritisieren Kreuz als "Werbemaßnahme" fürs Christentum
Im Kern geht es in der mündlichen Verhandlung unter anderem um die Bedeutung und Deutung des Kreuzes. Der Anwalt der Kläger, Hubert Heinhold, argumentiert unter anderem, die Koppelung eines Symboles mit der Staatsgewalt bedeute eine Bevorzugung der christlichen Kirchen, schon die Vorschrift alleine bedeute für die Kläger eine "substanzielle Benachteiligung per se". Das Kreuz sei quasi eine "Werbemaßnahme" fürs Christentum. Das widerspreche dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Neutralitätsgebot des Staates. Landesanwalt Marcus Niese entgegnet wiederholt: "Der Freistaat Bayern bringt das Kreuz nicht in seiner Eigenschaft als religiöses Symbol an." Sondern als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns - so stehe es auch in der entsprechenden Vorschrift. Woraufhin der Kläger-Anwalt wiederum kontert, es komme allein darauf an, wie das Kreuz von den Bürgerinnen und Bürgern verstanden werde.
Parallelen zum Kruzifix-Urteil des BVerfG von 1995
Ein weiterer Punkt: Wie sehr werden die Kläger durch die aufgehängten Kreuze in ihren Rechten tangiert? Könnten sie beispielsweise nicht einfach schnell an den Kreuzen vorbeigehen? An dem Punkt wird in der mündlichen Verhandlung an eine Bundesverfassungsgerichts-Entscheidung aus dem Jahr 1995 erinnert, das Kruzifix-Urteil (NJW 1995, 2477). Damals entschied Karlsruhe, dass das Anbringen eines Kreuzes oder Kruzifixes in Klassenzimmern gegen das Grundgesetz verstößt. Seither können sich Eltern und Schüler in Bayern gegen Kreuze in Klassenzimmern wehren. Aber ist es vergleichbar, wenn man einige Unterrichtsstunden sozusagen unter einem Kreuz sitzen muss - oder ob man daran nur "flüchtig" vorbeigeht? Auch mit dieser Frage wird sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bei seiner Abwägung wohl auseinandersetzen. "Eine bislang ungeklärte Rechtsproblematik" nennt Gerichtspräsidentin Breit Söders Kreuzerlass und die daraus folgenden juristischen Auseinandersetzungen.