Bund darf Vi­ze­prä­si­den­ten­stel­le am BFH vor­läu­fig nicht be­set­zen
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Das Vi­ze­prä­si­den­ten­amt am Bun­des­fi­nanz­hof darf vor­erst nicht mit der dafür aus­ge­wähl­ten Be­wer­be­rin Anke Morsch (SPD) be­setzt wer­den. Dies hat der Baye­ri­sche Ver­wal­tungs­ge­richts­hof in Mün­chen auf die Eil­an­trä­ge drei­er Kon­kur­ren­ten ent­schie­den. Der Leis­tungs­ver­gleich der Be­wer­ber sei rechts­feh­ler­haft er­folgt und die drei Kon­kur­ren­ten seien damit in ihrem Be­wer­bungs­ver­fah­rens­an­spruch aus Art. 33 Abs. 2 GG ver­letzt.

FG-Prä­si­den­tin setz­te sich gegen Vor­sit­zen­de BFH-Rich­ter durch

Im Aus­wahl­ver­fah­ren um das seit 01.11.2020 un­be­setz­te Vi­ze­prä­si­den­ten­amt hatte sich das Bun­des­jus­tiz­mi­nis­te­ri­um für die Be­wer­be­rin Anke Morsch ent­schie­den, die der­zeit als Prä­si­den­tin eines Fi­nanz­ge­richts tätig ist. Diese hatte sich unter an­de­rem gegen drei Vor­sit­zen­de Rich­ter und Vor­sit­zen­de Rich­te­rin­nen am BFH durch­ge­setzt. Den gegen die Aus­wahl­ent­schei­dung er­ho­be­nen Eil­an­trä­gen der drei Kon­kur­ren­ten hatte das Ver­wal­tungs­ge­richt Mün­chen mit Be­schlüs­sen vom 14.10.2021 statt­ge­ge­ben (BeckRS 2021, 30525, BeckRS 2021, 30693 und BeckRS 2021, 30697) und der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land un­ter­sagt, die Vi­ze­prä­si­den­ten­stel­le mit der Be­wer­be­rin zu be­set­zen, so­lan­ge keine neue Aus­wahl­ent­schei­dung über die Be­wer­bun­gen der Kon­kur­ren­ten unter Be­ach­tung der Rechts­auf­fas­sung des Ge­richts ge­trof­fen wor­den ist.

Rechts­feh­ler­haf­ter Leis­tungs­ver­gleich der Be­wer­ber

Gegen die Be­schlüs­se legte die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land je­weils Be­schwer­de ein. Der BayVGH hat die Ent­schei­dun­gen des VG Mün­chen nun be­stä­tigt und eine Ver­let­zung der drei Kon­kur­ren­ten in ihrem Be­wer­bungs­ver­fah­rens­an­spruch aus Art. 33 Abs. 2 GG be­jaht. Un­ab­hän­gig davon, ob das Bun­des­jus­tiz­mi­nis­te­ri­um beim An­for­de­rungs­pro­fil für die Vi­ze­prä­si­den­ten­stel­le zu­läs­si­ger­wei­se auf eine rich­ter­li­che Er­fah­rungs­zeit am BFH habe ver­zich­ten dür­fen, sei der Leis­tungs­ver­gleich der Be­wer­ber an­hand der ab­schlie­ßen­den Ge­samt­ur­tei­le in den dienst­li­chen Be­ur­tei­lun­gen rechts­feh­ler­haft.

An­for­de­rungs­pro­fil un­klar und hö­he­res Sta­tu­samt nicht aus­rei­chend be­rück­sich­tigt

Das Bun­des­jus­tiz­mi­nis­te­ri­um habe weder von einem Gleich­stand noch von einem Vor­sprung der aus­ge­wähl­ten Be­wer­be­rin aus­ge­hen dür­fen. Die Eig­nungs­pro­gno­se für die er­folg­rei­che Be­wer­be­rin sei nicht mit den an­de­ren Be­ur­tei­lun­gen ver­gleich­bar, weil sie von einem Lan­des­dienst­herrn stam­me und un­klar blei­be, wel­ches An­for­de­rungs­pro­fil zu­grun­de ge­legt wor­den sei. Zudem sei nicht be­rück­sich­tigt wor­den, dass die drei un­ter­le­ge­nen Kon­kur­ren­ten als Vor­sit­zen­de Rich­ter und Vor­sit­zen­de Rich­te­rin­nen ein deut­lich hö­he­res Sta­tu­samt (Be­sol­dungs­grup­pe R8) im Ver­gleich zur aus­ge­wähl­ten Be­wer­be­rin (Be­sol­dungs­grup­pe R5) in­ne­ha­ben. Es lägen keine be­son­de­ren Um­stän­de vor, die eine Aus­nah­me von dem Grund­satz recht­fer­ti­gen wür­den, dass den im hö­he­ren Sta­tu­samt er­ziel­ten Be­ur­tei­lun­gen ein hö­he­res Ge­wicht bei­zu­mes­sen sei. Gegen die Be­schlüs­se gibt es keine Rechts­mit­tel.

Aus­wahl­pro­ze­de­re war von An­fang an um­strit­ten

Morsch war frü­her Jus­tiz-Staats­se­kre­tä­rin im Saar­land. Ihre Aus­wahl war von Be­ginn an um­strit­ten. Die Prä­si­den­ten der Bun­des­ge­rich­te, der Deut­sche Rich­ter­bund und der Rich­ter­ver­ein am Bun­des­fi­nanz­hof hat­ten das Pro­ze­de­re teils scharf kri­ti­siert. Dabei geht es um die Frage, ob das Bun­des­jus­tiz­mi­nis­te­ri­um po­li­tisch ge­neh­me Kan­di­da­tin­nen und Kan­di­da­ten auf Füh­rungs­pos­ten hievt, die fach­lich die An­for­de­run­gen nicht er­fül­len. In den Aus­wahl­kri­te­ri­en ist ei­gent­lich vor­ge­se­hen, dass Be­wer­ber für Füh­rungs­stel­len an den Bun­des­ge­rich­ten in der Regel fünf­jäh­ri­ge Er­fah­rung am je­wei­li­gen Ge­richt haben sol­len. Doch Morsch er­füllt die­ses Kri­te­ri­um nicht.

VGH München, Beschluss vom 01.02.2022 - 6 CE 21.2708

Redaktion beck-aktuell, 7. Februar 2022 (ergänzt durch Material der dpa).

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