Masernimpfung bei Schulkind: Zwangsgeld darf bei fehlendem Nachweis angedroht werden

Legt ein schulpflichtiges Kind den erforderlichen Nachweis, dass es gegen Masern geimpft ist, nicht vor, kann zur Durchsetzung der Nachweispflicht ein erstes Zwangsgeld angedroht werden. Der VGH München weist aber darauf hin, dass die Androhung im behördlichen Ermessen stehe. Das müsse dann auch ausgeübt werden.

Der VGH lotet in seiner Entscheidung das Spannungsverhältnis zwischen elterlichem Erziehungsrecht und dem Allgemeingut des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung aus (Beschluss vom 07.05.2024 – 20 CS 24.428). Der Gesetzgeber habe zwar eine Nachweispflicht für die Masern-Impfung eingeführt, er habe aber ausdrücklich keine Impfpflicht begründen wollen (BT-Drs. 19/13452, S. 27). Das sei zu berücksichtigen, wenn man entscheide, ob und wenn ja, in welcher Form die Nachweispflicht durchgesetzt werden solle. Denn es dürfe kein so starker Druck aufgebaut werden, dass faktisch doch eine Impfpflicht entstehe. Bei einem schulpflichtigen Kind sei auch zu berücksichtigen, dass es - anders als noch in einer Kita - der Nachweispflicht regelmäßig nicht ausweichen könne.

Grundsätzlich hält der VGH es aber für zulässig, ein Zwangsgeld anzudrohen, um die Nachweispflicht durchzusetzen. Er stützt sich auf eine Entscheidung des BVerfG : Auch dieses gehe davon aus, dass ohne Druck auf die Willensbildung der Eltern die erforderliche Impfquote nicht zu erreichen wäre. Allerdings habe das BVerfG zugleich klargestellt, dass den für die Ausübung der Gesundheitssorge zuständigen Eltern "ein relevanter Freiheitsraum" verbleiben müsse.

Der Bundesgesetzgeber habe ausdrücklich angenommen, dass die behördliche Zwangsvollstreckung eines Impfnachweises (§ 20 Abs. 12 IfSG) nicht ohne Ermessensausübung der Behörde im Einzelfall erfolgen darf. Zur pflichtgemäßen Ausübung des Ermessen gehört für den VGH, dass die Behörde das elterliche Erziehungsrecht berücksichtigt und es in Beziehung zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung setzt. Die Entscheidung muss dann in jedem Einzelfall ergehen und stets das Verhältnismäßigkeitsprinzip beachten. Wenn die Behörde diese Vorgaben befolge, dürfte nach Ansicht des VGH die erstmalige Androhung des ersten Zwangsgeldes regelmäßig zu keiner unzulässigen Impfpflicht führen.

Landesanwaltschaft lobt Zugewinn an Rechtssicherheit

Die Landesanwaltschaft, deren Aufgabe es ist, den Freistaat Bayern vor dem VGH zu vertreten, zeigte sich zufrieden. Der Beschluss liefere Rechtssicherheit, denn bisher sei unklar gewesen, ob der VGH München auch bereits das erste Zwangsgeld für unzulässig hält.

Im jetzt entschiedenen Fall bewertete der VGH die ergangene Androhung als rechtens. Es war aber bereits der dritte Anlauf der Behörde: Bei ihrer ersten Zwangsgeld-Androhung hatte sie ihr Ermessen überhaupt nicht ausgeübt. Bei der zweiten Androhung hatte sie die Frist zur Vorlage des Impfnachweises zu kurz bemessen.

Die Landesanwaltschaft fasst den damaligen Beschluss des VGH München zusammen: Es sei um eine Frist von einem Monat gegangen, die die Behörde gesetzt habe, um die Masernimpfung nachzuweisen. Ihr sei bekannt gewesen, dass der pflichtige Schüler noch gar keine Impfung erhalten hatte. Ein vollständiger Impfschutz aber setze mindestens zwei Impfungen voraus. Zwischen diesen müsse ein Abstand von wenigstens vier Wochen liegen. Mithin sei die Vorlage einer Impfdokumentation innerhalb eines Monats praktisch ausgeschlossen gewesen.

VGH München, Beschluss vom 07.05.2024 - 20 CS 24.428

Redaktion beck-aktuell, bw, 29. August 2024.