Zu früh gefreut

Wer wegen Gewalttaten im Straßenverkehr verurteilt wird und neben einer Geldstrafe "nur" ein Fahrverbot erhält, ist dennoch nicht sicher vor der Fahrerlaubnisbehörde. Die kann die Erlaubnis trotzdem entziehen, wenn das Urteil keine Aussage über die Fahreignung trifft, so der VGH München.

Hintergrund des Falls war ein eskalierter Nachbarschaftsstreit: Nachdem ein Mann seinen Nachbarn bereits auf dessen Anwesen niedergestoßen hatte, nachdem dieser die Flucht vor ihm ergriffen hatte, ging die Auseinandersetzung wenige Tage später auf Asphalt weiter. Da entdeckte der Mann seinen verhassten Nachbarn im fließenden Straßenverkehr, fuhr mit seinem Motorrad neben ihn, hämmerte an dessen Scheibe und Fahrertür und fuhr ihm dann hinten rein. 

Wegen dieser Taten wurde der wütende Nachbar vom AG Regensburg unter anderem wegen fahrlässiger Körperverletzung, fahrlässiger Sachbeschädigung und wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Außerdem erhielt er ein viermonatiges Fahrverbot. Das Urteil verlor aber kein Wort über die Fahreignung des Mannes.

Daraufhin verlangte jedoch die Fahrerlaubnisbehörde von ihm ein medizinisch-psychologisches Gutachten und entzog ihm schließlich die Fahrerlaubnis, nachdem er dieses nicht vorgelegt hatte. Sie hielt den Mann wegen seines Aggressionspotenzials für ungeeignet, am Straßenverkehr mit einem Fahrzeug teilzunehmen. Zwar ging er gerichtlich dagegen vor, doch weder das Verwaltungsgericht noch der VGH München hatten ein Einsehen mit ihm.

VGH: Keine Feststellungen, keine Bindung

Die Münchener Richterinnen und Richter verneinten eine Bindungswirkung nach § 3 Abs. IV Satz 1 StVG, auf die sich der Mann berufen hatte (VGH München, Beschluss vom 25.03.2024 – 11 CS 23.1561). Der schreibt vor, dass sofern die Fahrerlaubnisbehörde in einem Entziehungsverfahren einen Sachverhalt aus einem Strafurteil berücksichtigen will, sie zum Nachteil der Betroffenen vom Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen darf, als es um die Feststellung des Sachverhalts oder die Beurteilung der Schuldfrage oder der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geht.

Der Strafrichter habe sich in dem Verfahren jedoch überhaupt nicht mit der Frage, ob dem Mann die Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 1 StGB zu entziehen sei, beschäftigt, so der VGH. Dadurch entstehe folglich auch keine Bindungswirkung für die Behörde. Die bloße Tatsache, dass ein Strafgericht davon absehe, die Fahrerlaubnis zu entziehen, sei nicht schon für sich genommen Ausdruck einer stillschweigenden Prüfung und Bejahung der Fahreignung. Nur in dem Fall, dass das Strafgericht die Fahreignung konkret feststelle, wäre die Fahrerlaubnisbehörde hieran gebunden gewesen.

VGH München, Beschluss vom 25.03.2024 - 11 CS 23.1561

Redaktion beck-aktuell, rw, 18. April 2024.