Be­schrän­kung des Zu­tritts zu Läden auf eine Per­son pro 20 qm un­wirk­sam
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Der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof Mann­heim hat am 05.06.2020 die Be­stim­mung der Co­ro­na-Ver­ord­nung Ein­zel­han­del in Baden-Würt­tem­berg zur Richt­grö­ße für eine an­ge­mes­se­ne An­zahl von Kun­den in La­den­ge­schäf­ten vor­läu­fig außer Voll­zug ge­setzt. Ein Eil­an­trag der Tchi­bo GmbH gegen die Re­ge­lung, nur einen Kun­den pro 20 Qua­drat­me­ter Ver­kaufs­flä­che zu­zu­las­sen, hatte damit Er­folg. Die Vor­schrift ge­nü­ge nicht dem rechts­staat­li­chen Be­stimmt­heits­ge­bot.

Tschi­bo geht gegen Re­ge­lung vor

Die Co­ro­na-Ver­ord­nung Ein­zel­han­del des Wirt­schafts­mi­nis­te­ri­ums und des So­zi­al­mi­nis­te­ri­ums vom 03.05.2020 re­gelt, wel­che Maß­nah­men ge­öff­ne­te Ein­zel­han­dels­be­trie­be tref­fen müs­sen, um die Ver­brei­tung des Co­ro­na­vi­rus ein­zu­däm­men. Die Ver­ord­nung ver­pflich­tet die Ein­zel­han­dels­be­trie­be unter an­de­rem zu Trenn­vor­rich­tun­gen an den Kas­sen, zur Ein­hal­tung von Ab­stands­re­ge­lun­gen und zu Hy­gie­ne- und Des­in­fek­ti­ons­maß­nah­men. Gegen § 3 Abs. 3 Satz 2 der Co­ro­na-Ver­ord­nung Ein­zel­han­del hat sich die An­trag­stel­le­rin mit einem Eil­an­trag an den VGH ge­wandt. 

Vor­wurf: Re­ge­lung zu un­be­stimmt

Sie macht gel­tend, die Be­stim­mung führe zu er­heb­li­chen Um­satz­ein­bu­ßen und habe zur Folge, dass sie die Mie­ten ihrer Ge­schäf­te nicht mehr er­wirt­schaf­ten könne. Die Vor­schrift sei be­reits nicht hin­rei­chend be­stimmt und daher un­wirk­sam. Für einen Norm­adres­sa­ten sei nicht ver­ständ­lich, in­wie­weit eine Be­schrän­kung auf eine Per­son pro 20 qm Ver­kaufs­flä­che ein­schlie­ß­lich der Be­schäf­tig­ten auch in Si­tua­tio­nen gel­ten solle, in denen die Ver­kaufs­flä­che bei­spiels­wei­se 39 qm be­tra­ge. Denn in einem sol­chen Fall dürf­ten Kun­den die Ver­kaufs­stel­le nicht be­tre­ten, weil jede Ver­kaufs­stel­le min­des­tens einen Be­schäf­tig­ten habe.

Lan­des­re­gie­rung: Richt­grö­ße statt ver­bind­li­cher Vor­la­ge

Die Lan­des­re­gie­rung (An­trags­geg­ner) ist dem An­trag ent­ge­gen­ge­tre­ten und hat vor­ge­tra­gen, die Vor­schrift ent­hal­te kein ei­gen­stän­di­ges Ge- oder Ver­bot, son­dern gebe Ein­zel­han­dels­be­trei­bern und Kun­den le­dig­lich eine Richt­grö­ße an die Hand, um im je­wei­li­gen Ein­zel­fall zu prü­fen, bei wie vie­len Per­so­nen in­ner­halb einer Ver­kaufs­stel­le die all­ge­mei­nen Ab­stands­vor­ga­ben ein­ge­hal­ten wer­den könn­ten. Die Vor­schrift ent­hal­te keine ver­bind­li­che Vor­ga­be zur Be­schrän­kung der Kun­den­zahl.

Ver­stoß gegen rechts­staat­li­ches Be­stimmt­heits­ge­bot

Der VGH hat dem An­trag jetzt statt­ge­ge­ben und § 3 Abs. 3 Satz 2 der Co­ro­na-Ver­ord­nung Ein­zel­han­del vor­läu­fig außer Voll­zug ge­setzt. Das aus dem Rechts­staats­prin­zip ab­ge­lei­te­te Gebot der Be­stimmt­heit von Nor­men ver­lan­ge, dass Rechts­vor­schrif­ten so ge­fasst sein müss­ten, dass der Be­trof­fe­ne die Rechts­la­ge so kon­kret er­ken­nen könne, dass er sein Ver­hal­ten da­nach aus­rich­ten könne. Die­sem rechts­staat­li­chen Be­stimmt­heits­ge­bot ge­nü­ge die Vor­schrift nicht. Mit der nicht wei­ter er­läu­ter­ten Ver­wen­dung des Be­grif­fes "Richt­grö­ße" sei be­reits nicht aus­rei­chend klar, ob die damit in Bezug ge­nom­me­ne Re­la­ti­on von Ver­kaufs­flä­che und Per­so­nen­zahl als ver­bind­li­che Vor­ga­be oder le­dig­lich als an­zu­stre­ben­des Ziel mit Ab­wei­chungs­mög­lich­keit oder gar – wie der An­trags­geg­ner vor­tra­ge – als gänz­lich un­ver­bind­li­cher Ori­en­tie­rungs­wert zu ver­ste­hen sein solle. Der Be­schluss ist un­an­fecht­bar.

VGH Mannheim, Beschluss vom 05.06.2020 - 1 S 1623/20

Redaktion beck-aktuell, 8. Juni 2020.

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