Tschibo geht gegen Regelung vor
Die Corona-Verordnung Einzelhandel des Wirtschaftsministeriums und des Sozialministeriums vom 03.05.2020 regelt, welche Maßnahmen geöffnete Einzelhandelsbetriebe treffen müssen, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Die Verordnung verpflichtet die Einzelhandelsbetriebe unter anderem zu Trennvorrichtungen an den Kassen, zur Einhaltung von Abstandsregelungen und zu Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen. Gegen § 3 Abs. 3 Satz 2 der Corona-Verordnung Einzelhandel hat sich die Antragstellerin mit einem Eilantrag an den VGH gewandt.
Vorwurf: Regelung zu unbestimmt
Sie macht geltend, die Bestimmung führe zu erheblichen Umsatzeinbußen und habe zur Folge, dass sie die Mieten ihrer Geschäfte nicht mehr erwirtschaften könne. Die Vorschrift sei bereits nicht hinreichend bestimmt und daher unwirksam. Für einen Normadressaten sei nicht verständlich, inwieweit eine Beschränkung auf eine Person pro 20 qm Verkaufsfläche einschließlich der Beschäftigten auch in Situationen gelten solle, in denen die Verkaufsfläche beispielsweise 39 qm betrage. Denn in einem solchen Fall dürften Kunden die Verkaufsstelle nicht betreten, weil jede Verkaufsstelle mindestens einen Beschäftigten habe.
Landesregierung: Richtgröße statt verbindlicher Vorlage
Die Landesregierung (Antragsgegner) ist dem Antrag entgegengetreten und hat vorgetragen, die Vorschrift enthalte kein eigenständiges Ge- oder Verbot, sondern gebe Einzelhandelsbetreibern und Kunden lediglich eine Richtgröße an die Hand, um im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, bei wie vielen Personen innerhalb einer Verkaufsstelle die allgemeinen Abstandsvorgaben eingehalten werden könnten. Die Vorschrift enthalte keine verbindliche Vorgabe zur Beschränkung der Kundenzahl.
Verstoß gegen rechtsstaatliches Bestimmtheitsgebot
Der VGH hat dem Antrag jetzt stattgegeben und § 3 Abs. 3 Satz 2 der Corona-Verordnung Einzelhandel vorläufig außer Vollzug gesetzt. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot der Bestimmtheit von Normen verlange, dass Rechtsvorschriften so gefasst sein müssten, dass der Betroffene die Rechtslage so konkret erkennen könne, dass er sein Verhalten danach ausrichten könne. Diesem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot genüge die Vorschrift nicht. Mit der nicht weiter erläuterten Verwendung des Begriffes "Richtgröße" sei bereits nicht ausreichend klar, ob die damit in Bezug genommene Relation von Verkaufsfläche und Personenzahl als verbindliche Vorgabe oder lediglich als anzustrebendes Ziel mit Abweichungsmöglichkeit oder gar – wie der Antragsgegner vortrage – als gänzlich unverbindlicher Orientierungswert zu verstehen sein solle. Der Beschluss ist unanfechtbar.