VGH Mannheim: Vorläufig kein Äußerungsrecht für fraktionslosen Mannheimer Gemeinderat im Amtsblatt

Der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof in Mannheim hat in zwei Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden, dass einem fraktionslosen Mitglied des Mannheimer Gemeinderats vorläufig kein Äußerungsrecht im Amtsblatt der Stadt Mannheim einzuräumen ist (Beschlüsse vom 28.04.2017, Az.: 1 S 345/17 und 1 S 617/17).

Redaktionsstatut schließt fraktionslose Gemeinderäte aus

Der Gemeinderat der Stadt Mannheim hatte in der Sitzung vom 22.11.2016 ein Redaktionsstatut für das Amtsblatt beschlossen. Dieses bestimmt, dass im Amtsblatt Fraktionen (mindestens vier Gemeinderäte) und Gruppierungen (zwei oder drei Gemeinderäte) des Gemeinderats ihre Auffassungen zu Angelegenheiten der Kommune unter der Rubrik "Stimmen aus dem Gemeinderat“ darlegen können. Fraktionen erhalten ein Zeichenkontingent von 14.000 Zeichen plus 3.750 Zeichen pro Stadtrat, Gruppierungen eines von 7.500 Zeichen plus 3.750 Zeichen pro Stadtrat. Für Beiträge zu den Haushaltsberatungen bestehen weitere Kontingente. Einzelstadträte, die nicht Mitglied einer Fraktion oder einer Gruppierung sind, haben nach dem Redaktionsstatut kein Zeichenkontingent. Vor dem Beschluss vom 22.11.2016 war es Praxis der Antragsgegnerin, Einzelstadträten ein Zeichenkontingent von 3.750 Zeichen zu gewähren.

Gemeinderat geht gerichtlich gegen Redaktionsstatut vor

Gegen das Redaktionsstatut wandte sich der Antragsteller, ein fraktionsloses Mitglied des Mannheimer Gemeinderats, in einem Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 1 VwGO. Er macht geltend, das Statut sei wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz unwirksam. Ergänzend hierzu hat er beantragt, bis zur Entscheidung über das noch anhängige Normenkontrollverfahren durch einstweilige Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO das Redaktionsstatut vorläufig außer Kraft zu setzen. Zudem beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Karlsruhe, der Stadt Mannheim als Antragsgegnerin durch einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO aufzuerlegen, ihm vorläufig ein Zeichenkontingent für Beiträge im Amtsblatt der Antragsgegnerin von mindestens 3.750 Zeichen zu gewähren.

VG und VGH lehnen vorläufige Aussetzung des Redaktionsstatuts ab

Das VG lehnte den Eilantrag mit Beschluss vom 10.02.2017 ab. Hiergegen legte der Antragsteller erfolglos Beschwerde ein. Der VGH hat den Antrag auf vorläufige Aussetzung des Redaktionsstatuts nach § 47 Abs. 6 VwGO (Az.: 1 S 345/17) und die Beschwerde gegen den Beschluss des VG Karlsruhe (Az.: 1 S 617/17) abgelehnt. Es bestehe kein Anspruch auf vorläufige Aussetzung des Redaktionsstatuts.

Erfolgsaussichten im Normenkontrollverfahren offen

Gleichzeitig befanden die VGH-Richter, dass die Erfolgsaussichten im anhängigen Normenkontrollverfahren offen seien. Gebe eine Gemeinde ein eigenes Amtsblatt heraus, das sie zur regelmäßigen Unterrichtung der Einwohner über die allgemein bedeutsamen Angelegenheiten der Gemeinde nutze, sei nach § 20 Abs. 3 der baden-württembergischen Gemeindeordnung den Fraktionen des Gemeinderats Gelegenheit zu geben, ihre Auffassungen zu Angelegenheiten der Gemeinde im Amtsblatt darzulegen. Nach dieser gesetzlichen Regelung könnten hingegen Einzelstadträte keinen Anspruch auf Einräumung eines Veröffentlichungsrechts im kommunalen Amtsblatt haben, so das Gericht weiter.

Beschränkung der Veröffentlichungsmöglichkeit auf Fraktionen nicht verfassungswidrig

Auch sei nicht erkennbar, dass die Beschränkung der Veröffentlichungsmöglichkeit auf Fraktionen in § 20 Abs. 3 Gemeindeordnung verfassungswidrig sei. Denn es sei anerkannt, dass Regelungen, bestimmte Rechte nur den im Gemeinderat vorhandenen Fraktionen einzuräumen und fraktionslose Gemeinderäte von diesen Rechten auszuschließen, im Hinblick auf die Bedeutung von Fraktionen zulässig sein können. Diese förderten nämlich eine Vorklärung des Meinungs- und Entscheidungsprozesses und strafften und erleichterten damit die Arbeit des Gemeinderats.

Ungleichbehandlung mit Gruppierungen an Gleichbehandlungsgrundsatz zu messen

Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache seien gleichwohl offen, so der VGH weiter. Denn der Gemeinderat der Antragsgegnerin habe es nicht bei der nach § 20 Abs. 3 Gemeindeordnung zulässigen Beschränkung des Veröffentlichungsrechts im Amtsblatt auf Fraktionen belassen, sondern darüber hinaus auch Gruppierungen ein solches Veröffentlichungsrecht eingeräumt. Die im Ausschluss des Veröffentlichungsrechts fraktionsloser Abgeordneter liegende Ungleichbehandlung im Verhältnis zu Gruppierungen müsse sich am Gleichbehandlungsgrundsatz messen lassen. Insoweit lasse die Argumentation des Stadtrats, die angegriffenen Regelungen dienten der Straffung des Meinungsbildungsprozesses, nicht ohne Weiteres erkennen, aus welchen Gründen diese Straffung bei einem Veröffentlichungsrecht von sieben politischen Akteuren nicht beeinträchtigt, jedoch bei einem Veröffentlichungsrecht von zehn politischen Akteuren erheblich gestört sei.

Kein Anspruch auf vorläufige Aussetzung des Redaktionsstatuts

Trotz der offenen Erfolgsaussichten könne der Antragsteller eine vorläufige Aussetzung des Redaktionsstatuts jedoch nicht verlangen, so der VGH weiter. Ihm entstehe durch das Redaktionsstatut kein schwerer Nachteil, der eine einstweilige Anordnung gebiete. Denn er habe andere Möglichkeiten, seine Auffassungen zu kommunalpolitischen Vorgängen publik zu machen.

Auch Beschwerde gegen VG-Beschluss unbegründet

Ferner entschied der VGH, dass die Beschwerde gegen den Beschluss des VG unbegründet sei (Az.: 1 S 617/17). Zutreffend habe das VG ausgeführt, dass selbst bei Feststellung einer rechtswidrigen Ungleichbehandlung von fraktionslosen Gemeinderäten und Gruppierungen der Antragsteller wohl nur die Einräumung eines Zeichenkontingents für Gruppierungen im Gemeinderat beanstanden, aber nicht selbst die Einräumung eines entsprechenden Zeichenkontingents für Einzelstadträte verlangen könnte. Denn dem Gemeinderat stünde es im Rahmen ihres Normsetzungsermessens voraussichtlich frei, allein den Fraktionen ein Zeichenkontingent zuzubilligen.

VGH Mannheim, Beschluss vom 28.04.2017 - 1 S 345/17

Redaktion beck-aktuell, 10. Mai 2017.

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