VGH Mannheim verpflichtet Land zu Diesel-Fahrverboten in Reutlingen

Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat das Land Baden-Württemberg mit Urteil vom 18.03.2019 dazu verurteilt, in den Luftreinhalteplan für die Stadt Reutlingen Diesel-Fahrverbote aufzunehmen. Dabei unterstreicht er in seiner am 16.04.2019 bekannt gegebenen Urteilsbegründung, dass die beschlossene Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes zur Vermeidung von Fahrverboten den europäischen NO2-Grenzwert nicht relativieren könne, da dies gegen zwingende Vorgaben des EU-Rechts verstieße. Baden-Württemberg will die vom VGH zugelassene Revision einlegen (Az.: 10 S 1977/18).

VGH: Diesel-Fahrverbote zu Grenzwerteinhaltung in Luftreinhalteplan aufzunehmen

Der VGH führt in seiner Urteilsbegründung unter anderem aus, dass der vorliegende Luftreinhalteplan nicht der aus europäischem und nationalem Recht folgenden Verpflichtung genüge, im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung Überschreitungen des Jahresgrenzwertes für NO2 möglichst kurz zu halten. In den vergangenen Jahren sei der Wert in Reutlingen stets überschritten worden. Zuletzt habe er 53 Mikrogramm/Kubikmeter für das Jahr 2018 betragen. In dem Plan werde in dieser Situation zu Unrecht auf Dieselfahrverbote verzichtet, deren Einbeziehung in die vorgesehenen Minderungsmaßnahmen eine frühere Grenzwerteinhaltung ermöglicht hätte. Zudem seien die bei der Planung zugrunde gelegten Prognosen teilweise nicht hinreichend belegt. Zum Beispiel sei bei der Wirkung von Software-Updates für Pkw die Frage nach deren Nachhaltigkeit nicht thematisiert worden. Auch die von der Stadt kurz vor der Gerichtsverhandlung neu in die Diskussion eingebrachten zusätzlichen Maßnahmen seien in ihrer Wirkung zu unsicher, um ein Absehen von Dieselfahrverboten als besonders effizienter Maßnahme zur Grenzwerteinhaltung zu rechtfertigen.

Grenzwert-Relativierung durch BImSchG-Änderung verstieße gegen EU-Recht

Der VGH betont, dass für die nunmehr erforderliche Neuplanung das verbindliche Ziel, den Grenzwert von 40 Mikrogramm/Kubikmeter schnellstmöglich zu erreichen, auch nicht mit Blick auf die gesetzliche Neuregelung im Bundes-Immissionsschutzgesetz relativiert werden dürfe. Wenn man dieser Neuregelung entnehmen wollte, dass in der Regel Fahrverbote erst bei Überschreitung des Jahresgrenzwertes von 50 Mikrogramm/Kubikmeter in Betracht kämen, und zwar auch dann, wenn nur mit ihnen eine schnellstmögliche Grenzwerteinhaltung möglich sei, könne dadurch das Planungsermessen des Landes nicht gelenkt werden. Denn bei einer solchen Auslegung verstieße die Neuregelung gegen zwingende Vorgaben des Europäischen Unionsrechts. Diesem komme aber ein Anwendungsvorrang zu mit der Folge, dass die – so verstandene – Neuregelung weder von Gerichten noch von Behörden beachtet werden dürfe.

Land wird Revision einlegen

Um rechtliche Klarheit zu erhalten, soll das neue Immissionsschutzrecht des Bundes höchstrichterlich geprüft werden. Das Land wird daher Revision gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs beantragen. Der Amtschef des Verkehrsministeriums Uwe Lahl sagte am 17.04.2019 in Stuttgart: "Wir wollen rechtliche Klarheit. Das neue Immissionsschutzrecht des Bundes muss aus unserer Sicht höchstrichterlich geprüft werden."

VGH Mannheim, Urteil vom 18.03.2019 - 10 S 1977/18

Redaktion beck-aktuell, 17. April 2019.

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